Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der glühenden Sonne

Titel: Insel der glühenden Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
auf, die mehrfach zur Tür hereinspähte. Sie war mager, hatte ungepflegtes dunkles Haar und große dunkle Augen, die zu groß für ihr Gesicht schienen.
            »Wer ist das?«, erkundigte er sich bei Sam.
            »Das Mädchen? Keine Ahnung. Shanahan hat sie aus irgendeinem Grund hergebracht.«
            »Entschuldigen Sie, Sir«, rief Sean von der Tür, »das ist Marie Cullen, von der ich Ihnen erzählt habe. Sie könnte Dossie im Haus helfen.«
            »Ach Gott, ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Hör zu, Shanahan, es tut mir Leid, aber ich habe es mir anders überlegt. Ich brauche niemand.«
            Als Shanahan sich zurückgezogen hatte, wandte Barnaby sich an Sam. »Schließlich ziehen die ja bald aus.«
            Am späten Nachmittag fühlte er sich so gut, dass er mit Shanahan im Wagen heimkehren konnte. Er versuchte, den Gedanken an Jubals Anzeige zu verdrängen, immerhin wäre er schon in der nächsten Woche auf Nimmerwiedersehen verschwunden, doch die Sorge verließ ihn nicht und bereitete ihm ein flaues Gefühl im Magen.
            Shanahan fürchtete, der Boss könne vom Sitz fallen, und schlug vor, er solle es sich auf der Ladefläche bequem machen, doch das lehnte Barnaby strikt ab.
            »Ich sehe doch aus wie ein Trottel, wenn ich zwischen den Vorräten hocke. Nein, ich bleibe, wo ich bin, und du treibst die Pferde tüchtig an.«
            Plötzlich sah Barnaby sich um. »Ich rieche Rauch. Vielleicht ein Buschfeuer?«
            »Ich vermute, jemand verbrennt gerodetes Holz.«
             
            Früh an diesem Morgen war der Molkereihelfer Rufus Atwater von der Warboy-Farm weggelaufen.
            Er war ein schüchterner Bursche, der sich bisher aus allen Streitereien herausgehalten hatte. Rufus war Lehrling bei einem Buchbinder gewesen und hatte in einer kleinen Werkstatt in Soho gearbeitet. Man hatte ihn deportiert, weil er ein Buch im Wert von zwölf Pfund gestohlen hatte. Auf der schrecklichen Überfahrt, bei der die Männer monatelang unter Deck angekettet waren, hatte er sich still und unauffällig verhalten, doch an Land fehlte es ihm am nötigen Mut, um darauf hinzuweisen, dass er sich die ganze Zeit tadellos geführt hatte. Daher warf man ihn wie die anderen ins Gefängnis und nahm ihm seine wenigen Habseligkeiten ab, darunter den warmen Mantel, den ihm seine Mutter genäht hatte. Er war zwar im feuchten Laderaum des Schiffes leicht angeschimmelt, doch Rufus hatte sehr daran gehangen.
            Auf Drängen eines Mitgefangenen schrieb Rufus an den Oberaufseher, als er einen Wärter mit seinem Mantel entdeckte, und bat um Rückgabe. Ihm war jedoch nicht bewusst, dass Sträflinge laut Artikel 49 des Strafgesetzbuchs keine eigenen Nahrungsmittel, Kleidungsstücke oder sonstige Dinge besitzen durften.
            Sein Irrtum brachte ihm sechzig Peitschenhiebe ein. Die Strafe hinterließ einen körperlichen und seelischen Schock. Nie hätte er geahnt, dass er solche Brutalität am eigenen Leib erfahren würde.
            Sicher, er hatte das Buch gestohlen, aber es war alt gewesen, keiner hatte es gebraucht. Sein Meister warf kaputte Bücher meistens weg, und da hatte er gedacht … Hätte er gewusst, dass es sich um ein seltenes Werk handelte, wäre es nie so weit gekommen.
            Dennoch, er hatte ein Verbrechen begangen und sollte anderen Lehrlingen als abschreckendes Beispiel dienen. Also hatte man ihn wegen Diebstahls vor Gericht gestellt.
            Als man ihn nach der Auspeitschung wieder in die Zelle schleppte, war er so verängstigt, dass er kaum sprechen konnte. Und es sollte noch schlimmer kommen. Man schickte ihn in den Steinbruch, ein hartes Los für einen Siebzehnjährigen, der nie körperlich gearbeitet oder um Essen und Wasser hatte kämpfen müssen. Im Cleghorn-Steinbruch wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet, und die Hauptmahlzeit wurde nach dem Motto »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« ausgegeben. Die Letzten in der Schlange erwischten nur noch die traurigen Überreste in den großen Kesseln. Von Brot und dem seltenen Nachtisch konnten sie nur träumen.
            Matt O’Neill, ein Ire, der mit ihm an Bord der Veritas gewesen war, empfand Mitleid mit Rufus und half ihm, sich in der Schlange vorzudrängen.
            Doch dann kam der Tag, an dem Rufus von einem Sims auf den Boden des Steinbruchs stürzte und sich das

Weitere Kostenlose Bücher