Insel der glühenden Sonne
wünsche Ihnen einen guten Tag.«
Mr. Pitcairn war kaum um die Ecke gebogen, als Sean den Kopf zur Tür hinausstreckte.
»Was machen Sie denn hier? Ich darf während der Arbeit keinen privaten Besuch empfangen. Vor allem keine kleinen Mädchen«, versetzte er kühl.
»Ich bin kein kleines Mädchen!«
»Dann sind Sie eben eine Frau mit schlechten Manieren. Was wollen Sie von mir?«
»Gar nichts. Ich bin nur gekommen, um mich für mein unhöfliches Benehmen zu entschuldigen. Ich war so durcheinander.«
Sean sah sie überrascht an. »Woher dieser Sinneswandel?«
»Wir fahren heute nach Hause.«
»Das halte ich für unklug.«
»Sie meinen, der Dieb kommt wieder?«
»Er war kein Dieb. Ich glaube, er wurde eigens geschickt, um Ihrer Mutter etwas anzutun.«
»Machen Sie mir doch keine Angst. Wir müssen unbedingt nach Hause. Wo sonst sollen wir hin? Zum Glück konnten mich die Pollards unterbringen.«
»Ist Ihre Mutter noch wütend auf mich?«
»Nein«, log Louise. »Sie hat sich beruhigt und freut sich nur noch auf zu Hause. Dr. Jellick kümmert sich gar nicht richtig um sie. Ich wünschte, Dr. Roberts könnte sie behandeln.«
»Ja«, meinte er geistesabwesend.
Louise griff nach dem letzten Köder.
»Sean, soll ich Ihnen was sagen? Ich weiß, wo sie die kleine Miss Warboy versteckt haben.«
Er schien mit einem Ruck zu erwachen. »Wo? Wie haben Sie davon erfahren?«
»Ich habe gehört, wie Sam Pollard und seine Frau sich unterhielten. Er bringt ihnen Lebensmittel, Miss Warboy und ihrer Zofe, meine ich.«
»Wo wohnen sie?«
»Draußen in Sandy Bay, sie haben dort ein Haus. Mr. Warboy zahlt alles, um seine Ruhe zu haben.«
»Gott sei Dank, endlich weiß ich Bescheid. Miss Harris, Ihre Mutter muss unbedingt zu Mr. Baggott gehen, bevor sie Hobart verlässt. Er soll sie beraten, auf mich hört sie ja nicht. Und jetzt ab mit Ihnen. Es ist absolut untragbar, dass der Sekretär eines Anwalts in der Kanzlei Privatbesuch empfängt.«
Louise kicherte. »Mr. Pitcairn scheint sehr nett zu sein. Ist er verheiratet?«
»Ja.«
»Schade. So, ich habe Ihnen einen Gefallen getan und von Miss Warboy erzählt, dafür sollten Sie dem Doktor etwas Nettes über mich sagen.«
Sean sah ihr nach, als sie die Straße überquerte, und dachte, wie hübsch sie doch aussah mit ihrem weit schwingenden Rock und der schmalen Taille. Er fragte sich, ob Roberts wirklich an ihr interessiert war.
Das Duck Inn war ein ruhiges kleines Hotel, das hinter dem Gericht lag und von den juristischen Kreisen Hobarts frequentiert wurde. Sean war in den letzten Wochen häufiger dort gewesen, um Unterlagen für Mr. Pitcairn zu holen oder zu bringen. Die kleinen Nischen im Schankraum wurden gern für Besprechungen genutzt.
Natürlich wurde er nie auf einen Drink eingeladen, da er nur als Bote auftrat, liebte aber den Ledergeruch der Polster und die Porträts und Karikaturen an den Wänden, die ehemalige Stammgäste des Duck Inn darstellten.
Spät an einem Freitagnachmittag huschte Mrs. Pitcairn auf Zehenspitzen ins Büro und bat Sean, der gerade nach Hause gehen wollte, um einen Gefallen.
»Mein Mann hat dieses Paket vergessen. Er sollte es um sechs Uhr einem Herrn im Duck Inn übergeben. Wären Sie so nett, es ihm zu bringen?«
»Gewiss, Mrs. Pitcairn.«
»Vielen Dank, Mr. Shanahan. Und Sie müssen es ihm persönlich aushändigen.«
»Natürlich, Ma’am.«
Als er mit dem buchgroßen Päckchen zum Duck Inn marschierte, fragte er sich, was es enthalten mochte. Geheime Informationen über Deportationen, die nicht in falsche Hände geraten durften?
Er trat wie üblich an die Seitentür des Gasthauses und erkundigte sich nach Mr. Pitcairn, der das Päckchen entgegennahm. »Vielen Dank, Mr. Shanahan, kommen Sie doch herein.«
Der Schankraum war voll, und sie drängten sich in eine Nische, in der mehrere Herren saßen.
Sean erkannte Baggott und dessen Sekretär und, Wunder über Wunder!, Dr.
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