Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
durcheinander, wiederholten sich und drehten sich hundert Mal um dieselbe Stelle, bis Eleni ihr schließlich den Finger auf den Mund legte. Sie schüttelte den Kopf und ihre dunklen Locken fielen halb vor ihr Gesicht. »Du irrst dich, Leándra. Es kann gar nicht sein. Wenn unser Großvater ein Gott wie Zeus wäre, dann müsste vor allem unsere Mutter ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen, und wenn das so wäre, dann müsstest du genauso seltsam sein wie ich.«
K APITEL F ÜNF
A m nächsten Morgen war Kimon der Einzige von den Jungs, der auf der Ausgrabungsstätte erschien, und Arjana teilte ihn ganz selbstverständlich in dieselbe Gruppe ein wie Eleni. Sie arbeiteten mit Marie und Pascal zusammen und Kimon ließ keine Gelegenheit aus, um Eleni anzulächeln. Immer wieder versuchte er, ein Gespräch mit ihr zu beginnen. Aber Eleni wollte nicht reden. Mit niemandem, nicht einmal mit Marie, die schließlich anfing, Kimons Archäologiefragen geduldig zu beantworten.
Dabei hatte Kimon im Grunde gar nichts falsch gemacht. Schuld an ihrer schlechten Laune war ein dumpfer Schmerz, der sich seit gestern um ihr Herz krallte. Sie konnte nicht aufhören, an das Mädchen zu denken, das unten in der Schlucht lebte. Eleni und Philine – die Namen kreisten durch ihren Kopf. Warum hatte sie gesagt, dass sie das Mädchen in Gefahr bringen würde? Eleni verstand es selbst nicht. Aber was sie gesagt hatte, ließ sie nicht los.
»Ich kenne ein Mädchen, das dir ähnlich ist.« Kimon durchbrach ihre Gedanken. Er ließ seine Schaufel sinken und stützte sich darauf.
»Was?« Eleni starrte ihn an. Ein Mädchen, das ihr ähnlich war? »Wen meinst du? Wer soll mir ähnlich sein?«
Kimon zuckte mit den Schultern. Plötzlich sah er verunsichert aus. »Ich weiß nicht ... also, das ist nur so eine Ahnung. Sie wohnt dort drüben in der Schlucht.«
Elenis Herz machte einen kleinen Sprung. »Wie kommst du darauf, dass ich Philine ähnlich bin?«
Kimons Gesicht hellte sich auf. »Ha! Also kennst du sie schon! Dann hatte ich doch recht. Du bist ihr begegnet, als du auf die andere Seite der Klippen geschwommen bist. Stimmt’s?«
Eleni wurde schwindelig.
Kimons Lächeln erschien auf seltsame Weise ernst. »Als du vom Schwimmen zurückgekommen bist, hast du gesagt, dass du auf der anderen Seite warst. Das klang so, als wäre dort etwas Besonderes passiert. Und da ist es mir aufgefallen: Du bist ihr ähnlich. Ich meine, du bist zwar etwas wilder als sie. Aber von euch geht etwas aus ...«
Elenis Herz tobte. »Von uns geht etwas aus?« Sie dämpfte ihre Stimme im letzten Moment.
»Ja.« Kimon nickte schüchtern. Sein Blick glitt in die Ferne und sein Lächeln wurde verträumt. »Ich kenne Philine schon lange. Seit der ersten Klasse sitzen wir nebeneinander. Sie ist sehr still. Sie redet nur, wenn sie im Unterricht etwas sagen muss.« Kimon stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber da ist etwas um sie herum. Also ... das ist schwer zu erklären. Jeder mag sie, obwohl sie so still ist. Und ...« Er hielt sich eine Hand vor den Mund und sprach noch leiser. »Und wenn du mich fragst, dann hat sie eine besondere Gabe: Sie kann Menschen davon abbringen, sich zu streiten. Ich glaube, ichbin der Einzige, der es bemerkt hat. Immer wenn es auf dem Schulhof Ärger gibt, wenn sich Kinder streiten oder prügeln, dann kommt Philine und stellt sich in ihre Nähe. Sie sieht die Kämpfenden nur an und kurz darauf vertragen sie sich wieder. Das funktioniert immer.« Kimon senkte den Kopf und Eleni sah, wie er rot wurde. »Auch bei mir. Wenn ich mich morgens mit Vasili gestritten habe und mit schlechter Laune zur Schule komme, dann geht es mir wieder gut, sobald ich mich neben sie setze.«
Eleni schmunzelte. Also war Kimon Philines Verehrer und nicht ihrer. Ein Gefühl der Erleichterung huschte durch ihre Brust.
»Und du ...« Kimon sah wieder auf und krauste die Stirn. »Um dich herum ist auch irgendetwas. Aber es ist etwas anders als bei Philine. Ich bin nur noch nicht drauf gekommen, was genau es ist.«
Eleni erstarrte. Ihr Herz raste, so schnell und so laut, dass Kimon es hören musste. Aber er grinste sie nur an. Er wusste, wie sonderbar sie war – und dennoch schien es ihn nicht zu stören.
Plötzlich stand Leándra neben ihnen. Sie hob ihren roten Hut ein wenig an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wo stecken eigentlich die anderen?« Sie sah zu Kimon und trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche.
Kimon rollte mit den Augen. »Vasili hat
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