Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
Leándra statt dieser Liebe jetzt nur noch Postkarten von ihm bekam, war einfach nicht fair.
Sicher, es war wichtig, Leándra musste das alles erfahren. Aber Eleni graute es vor dem Donnerstagabend. Ein Restaurantabend mit anschließendem Sternenspaziergang. Das bedeutete, dass sie bei Einbruch der Dunkelheit draußen sein würde, genau dann, wenn die Schatten landeten ...
Je weiter die Woche voranschritt, desto schlimmer wurden ihre Vorahnungen. Sie schlief von Nacht zu Nacht schlechter. Immer wieder wachte sie auf, mit einem unguten Gefühl im Bauch – bis sie wusste, was die Ahnungen ihr sagen wollten: Philine war in Gefahr. Doch Eleni konnte nicht herausfinden, was es für eine Gefahr sein würde, und erst recht nicht, was sie dagegen tun könnte. Jeden Abend, wenn sie schlafen ging, wünschte sie sich, dass sie in der Nacht schlafwandeln würde und endlich deutlich aussprach, was passieren würde.
Aber sie hoffte vergebens, und am Donnerstagmorgen blieb ihr nichts anderes übrig, als das schlechte Gefühl hinunterzuschlucken und wachsam zu bleiben.
Wieder verbrachten sie den ganzen Morgen damit, Oma Greta beim Kochen zu helfen, damit die Archäologen am Mittag eine warme Mahlzeit bekamen.
Dieses Mal war auch Leándra bei ihnen, und im Grunde war es ein lustiger Morgen. Oma Greta tanzte so fröhlich inihrem bunten Hippiekleid durch die Küche, dass Eleni ihre Sorgen beinahe vergaß. Als ihre Oma anfing, ein sehnsüchtiges Liebeslied aus ihrer Hippiezeit vor sich hin zu singen, musste Eleni lachen. »Du scheinst dich ja sehr auf deinen Tom heute Abend zu freuen.«
Oma Greta lächelte. »Ach, weißt du – auch alte Leute haben Gefühle, und vielleicht war ich damals ein bisschen hart zu dem guten alten Tom.« Ein Strahlen leuchtete über ihr Gesicht. »Zum Glück ist er nicht nachtragend.«
Eleni und Philine lachten.
»Mir kommen die Tränen!« Leándra schmunzelte, legte ihr Zwiebelmesser zur Seite und wischte sich über die Wangen.
Elenis Lachen verstummte, während sie ihre Schwester betrachtete. Sie wusste nicht, wovor sie sich am meisten fürchten sollte – vor Leándras Reaktion, wenn sie die Wahrheit erfuhr, oder davor, dass ihre Mutter womöglich im letzten Moment einen Rückzieher machte und es doch nicht erzählte.
Aber am allermeisten Angst hatte Eleni davor, sich heute Abend von Philine zu trennen. Was ihre Eltern mit ihnen vorhatten, würde länger dauern. Und womöglich war auch Philine noch irgendwo draußen, wenn bei Einbruch der Dunkelheit die Schatten von der Insel über sie hinwegflogen.
Philine hatte Eleni tausendmal versprochen, rechtzeitig ins Haus zu gehen. Aber sie würde die Nacht unten in der Schlucht verbringen, und allein das reichte Eleni, um das Schlimmste zu befürchten.
Markos mochte wissen, dass es Götter gab – aber die Schatten auf der Feier hatte er genauso wenig gesehen wie alle anderen. Er würde es also nicht bemerken, wenn die Gestalten in Philines Nähe kamen.
Doch ganz egal, wie viele Zweifel sie hegten, der Augenblick, in dem sie sich trennen mussten, kam viel zu schnell. Schon als die Archäologen Feierabend machten, kam Markos zum Haus, um Philine abzuholen.
Eleni nahm ihre Freundin zum Abschied in die Arme und wollte sie am liebsten nicht mehr loslassen.
»Ist doch nur für eine Nacht.« Philine löste sich von ihr und wuschelte durch ihre Haare, wie sie es sonst immer bei Kimon tat. »Morgen sehen wir uns wieder.«
Hoffentlich! Eleni wagte nicht, es auszusprechen. Doch Arjana schaute sie an, als würde sie ihre Sorgen bemerken. Auf einmal ahnte Eleni, wie einfach es wäre: ein deutliches Nein würde genügen und Arjana und Markos würden ihre Pläne sofort verwerfen. Eleni müsste nur kurz erwähnen, wie dringend sie in dieser Nacht mit Philine zusammenbleiben wollte, sie müsste es nicht einmal begründen und ihre Eltern würden es trotzdem verstehen.
Nur Leándra würde es nicht begreifen. Sie musste erst erfahren, was es mit ihnen auf sich hatte – und wahrscheinlich würde sie ziemlich erschlagen sein, wenn bei dieser Erklärung gleich ein ganzer Patchworkfamilienclan um sie herumsaß. Wenn Leándra dann noch feststellen musste, dass sie die Einzige war, die noch nicht Bescheid wusste, würde ihr das wahrscheinlich endgültig den Rest geben.
Eleni wollte ihrer Schwester nicht noch mehr wehtun, und ehe sie richtig zu Ende überlegen konnte, war die Gelegenheit auch schon vorüber. Philine sprang die Stufen vor dem Haus hinab und lief mit
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