Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
zurückgewiesen und ihm erklärt, dass ich ihn mit einem Stromschlag töten würde, wenn er mich anfasst. Um ihm zu beweisen, was mit mir los ist, habe ich ihm das mit dem Feuer und der Glühbirne und einem funkenden Löffel gezeigt. Von da an hatte er Angst vor mir. Und er hatte Angst um Leándra. Wir haben uns getrennt und er wollte unser Kind mitnehmen. Aber mein Kind lasse ich mir nicht nehmen, also haben wir einen miesen kleinen Krieg gegeneinander geführt.« Arjanas Erzählung endete und draußen wurde es still.
Eleni bemerkte, wie das Badezimmer vor ihren Augen verschwamm. Sie wischte sich die Tränen ab und versuchte, ihr Schniefen zu unterdrücken.
Das alles war also das Geheimnis, das ihre Mutter schon so lange vor ihnen verbarg, der Grund, warum Leándra von ihrem »windigen« Vater nur Postkarten bekam.
Wenn Leándra jetzt hier wäre, würde sie auch weinen. Nicht nur das: Wahrscheinlich würde sie schreien vor Verzweiflung und ihrer Mutter verraten, dass sie alles gehört hatte.
»Willst du es Leándra deshalb nicht erzählen?« Markos’Stimme klang tröstend. »Weil du befürchtest, sie zu verlieren, wenn sie die Wahrheit erfährt?«
Arjana gab ein seltsames Geräusch von sich. Es klang fast, als würde sie ebenfalls weinen. »Ja.« Ihre Stimme war kaum zu hören. »Sie wäre so wütend, wenn sie das erfahren würde. Womöglich würde sie nach ihrem Vater suchen, und dann ...«
Wieder herrschte für einen Moment Stille. Nur Philines Hand streckte sich durch die Dunkelheit und griff nach Elenis Fingern.
Markos räusperte sich: »Du kannst die Wahrheit vor Leándra verstecken, aber du kannst deine Tochter nicht vor der Wahrheit schützen.« Er klang auf einmal sehr weise. »Du musst es ihr sagen, Arjana. Sie ist nicht wie ihr Vater. Sie wartet auf Antworten. Wenn du es ihr erklärst, dann wird sie es verstehen.«
Eleni wischte sich die Nase ab. Sie konnte nicht länger hier stehen und lautlos weinen, nicht ohne zu schniefen ... und sie musste zum Klo. Als sie zu Philine sah, bemerkte sie jedoch, dass es ihre Freundin noch viel schlimmer getroffen hatte: Philine zitterte am ganzen Körper. Glitzernde, lautlose Tränen liefen über ihr Gesicht und Eleni wurde plötzlich klar, dass ihre Freundin die Traurigkeit in dieser Erzählung noch viel deutlicher spürte als sie.
»Weißt du was?« Markos’ Tonfall war plötzlich sehr entschlossen. »Am Donnerstagabend bleibe ich mit Philine unten in der Schlucht und erzähle ihr, von wem sie abstammt. Und du schnappst dir deine Töchter und erklärst ihnen die ganze Geschichte. Abgemacht?«
Arjana schwieg einen Moment. Philine zog an Elenis Hand und ging einen Schritt zur Tür.
»Abgemacht.« Arjanas Stimme klang wieder dumpf.
Eleni wusste plötzlich, was der dumpfe Klang bedeutete: Sie küssten sich. Es wurde tatsächlich Zeit zu gehen.
Mit lautlosen Schritten folgte sie Philine in den Flur, über die Treppe nach unten, bis zu dem Gästeklo, das es glücklicherweise auch noch gab.
K APITEL V IERZEHN
T atsächlich erzählte Arjana am nächsten Mittag von dem Tisch, den sie für den nächsten Donnerstag in der Taverne reserviert hatte. Sie sprach von einem Familienabend, an dem sie Eleni und Leándra zu einem Sternenspaziergang entführen wollte. Und damit sie nicht hungrig waren, würden sie zuvor ins Restaurant gehen. Doch vor allem sollte es endlich mal wieder ein Abend sein, an dem Philine und Markos nicht dabei waren. Nur Oma Greta würde noch mit zum Essen kommen, bis Tom, ihr Jugendfreund, sie in der Taverne abholen würde.
Leándra schien sich auf den Abend zu freuen und Eleni musste sich immer wieder auf die Lippen beißen, um keine Andeutungen über das zu machen, was Arjana ihnen erzählen wollte. Sie glaubte nicht, dass der Abend Leándra gefallen würde und ihre Schwester tat ihr leid. Immer zog Leándra den Kürzeren. Sie alle hatten an diesem Ort einen besonderen Menschen gefunden, mit dem sie verbunden waren – selbst Oma Greta, die sich immer häufiger mit ihrem Tom traf.
Nur Leándra schien zu niemandem zu gehören. Stattdessen hatte das Götterblut den einzigen Menschen in ihrer Familievertrieben, der so war wie sie: ihren Vater. Wahrscheinlich würde Leándra tatsächlich sehr wütend sein, wenn Arjana davon erzählte! Und niemand könnte es ihr verübeln, wenn sie daraufhin nach ihrem Vater suchte.
Eleni würde diesen Paul gerne einmal sehen. Wenn er so um seine Tochter gekämpft hatte, dann musste er sie sehr lieben. Dass
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