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Insel der Rebellen

Insel der Rebellen

Titel: Insel der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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würd er aussteigen oder in irgendeiner Weise kooperieren.«
    Hooter war damit beschäftigt, ihren Mantel aufzuknöpfen und ihren Lippenstift aus der Tasche zu fischen, und schnappte daher nur Bruchstücke von dem auf, was Macovich sagte. Sie klapperte mit den fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen ihrer roten Stiefel aus imitiertem Leder über den Asphalt. Ihr Job brachte es mit sich, dass sie im Blickfeld der Öffentlichkeit war. Daher achtete Hooter sehr auf ihre Kleidung und ihr Make-up.
    Auch ihre Dreadlocks saßen immer perfekt und waren mit bunten Perlen geschmückt.
    »Es ist nich gut, wenn du nich kooperierst, Süßer«, Hooter blickte durch das offene Autofenster des Mexikaners. »Nun arbeite mal schön mit diesem großen Trooper hier zusammen. Niemand will Stress, denn im Moment suchen sie nach'm Verdächtigen, auf den deine Beschreibung ganz genau passt. Also mach die Sache nich schlimmer, als sie is ...«
    »Musst nich so viel verraten, Hooter«, flüsterte Macovich ihr ins Ohr, und ihr Parfüm stieg ihm durch die Nase geradewegs ins Hirn und benebelte es. »Was is'n das?«
    »Poison.« Zufrieden konstatierte sie, dass es ihm aufgefallen war. »Hab ich bei Target gekauft.«
    »Woher weißt du denn, dass wir nach'm Verdächtigen suchen?«, flüsterte er noch immer im Bannkreis ihrer Parfümwolke.
    »Warum würdet ihr sonst wohl alle Fahrbahnen absperrn außer der hier?«, antwortete sie. »Glaubst du, ich bin von gestern? Ich bin schon ganz schön rumgekommen, kannste mir glauben, und außerdem bin ich Leitende Mautkassiererin an dieser Kontrollstelle.«
    »Oh, nix für ungut, Frau Leitende Mautkassiererin.« Macovich zog sie ein bisschen auf.
    »Werd bloß nich frech!«
    »Ohhh, ich bin nie frech, jedenfalls nich zu so 'ner hübschen Frau wie dir. Wie wär's mit'n Drink nach Feierabend?« Zufrieden dachte er an den knisternden Hundert-Dollar-Schein, den Cat ihm nach ihrer kurzen Unterrichtsstunde gegeben hatte.
    Der Mexikaner saß aufrecht in seinem Sitz, die Auge n weit aufgerissen und mit einer Hand teilweise abgeschirmt. Er zitterte und hatte das Steuer so fest umklammert, das seine Knöchel weiß hervortraten.
    »Por favor.« Er blickte Macovich und Hooter an. »No buena armonia.«
    Cruz Morales besaß äußerst begrenzte Englischkenntnisse und war es gewohnt, die einfachen spanischen Redewendungen zu benutzen, die die meisten New Yorker auf Anhieb verstanden. Doch hier kündigte sich ein Meer von Missverständnissen an zwischen ihm, dem Cop und der Mautkassiererin, dabei konnte sich Cruz keine weiteren Ermittlungen leisten. Er war zwölf Jahre alt und mit einem gefälschten Ausweis nach Richmond gefahren, um dort ein Paket für seinen älteren Bruder abzuholen. Obwohl er nicht nachgeschaut hatte, was in dem eng verschnürten Bündel war, das in der Einbuchtung für den Ersatzreifen im Kofferraum versteckt lag, vermutete er aufgrund des Gewichts, dass es sich wieder um Schusswaffen handelte.
    »Ich glaub, er meint: por favor - er ist arm und bittet dich um 'nen Gefallen«, übersetzte Hooter für Macovich. »Der is doch viel zu klein und jung, um jemand was zu tun.« Ihr Mutterinstinkt bahnte sich einen Weg durch die Duftwolke. »Vielleicht braucht er 'ne Cola oder 'n Kaffee. Diese Mexikaner trinken doch schon als Babys Kaffee.«
    In diesem Augenblick schien es im Leben des Cruz Morales keinen anderen Lichtblick zu geben als die goldenen Schneidezähne der Mautkassiererin. Er nahm Blickkontakt zu ihr auf und brachte mit klappernden Zähnen ein Lächeln zustande.
    »Siehste«, Hooter stieß Macovich mit dem Ellenbogen an, wobei sie seine Pistole streifte. »Er will was sagen. Er hat uns verstanden.«
    Sie blickte auf die kilometerlange Schlange wartender Autos vor der Mautstation. Eine endlose Kette von ungeduldigen Scheinwerfern, die alle gekommen waren, um sie zu sehen. Ungeheurer Stolz erfasste sie. Einen Augenblick lang fühlte sie sich wie ein Filmstar, und sie wurde überwältigt von einer Woge des Mitgefühls für den kleinen mexikanischen Jungen, der viel zu weit von zu Hause und schrecklich verängstigt war. Wahrscheinlich war er müde, hungrig und durchgefroren.
    Hooter griff in ihre Tasche und suchte unter Unmengen von Lippenstiften ein Taschentuch hervor, das ihr ein nett aussehender weißer Trooper letztes Jahr gegeben hatte, als der Mann mit der Papiertüte über dem Gesicht ihr Häuschen hatte ausrauben wollen und stattdessen hineingefahren war. Außerdem fischte Hooter noch einen Stift

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