Insel der Rebellen
wer'n, wenn alle Welt zuschaut, was ihre Mutter auf ihren Minivan klebt? Mir is sie schon immer komisch vorgekommen, hab ich nich immer gesagt, dass ich sie komisch find, Ima?
Komm sofort her und schau dir das an!«
Ima kam mit ihrer Gehhilfe hereingeschlurft und blinzelte durch den Gardinenspalt. Beim Anblick von Barbie Fogg in ihrem hell erleuchteten Carport auf der anderen Straßenseite zuckte sie zusammen. Ima konnte nicht richtig erkennen, was Barbie dort tat, aber es sah aus, als gehe sie um ihren Minivan herum und würde dabei mit dem Fuß eine Puppe über den Betonboden stoßen. Dann schien sie etwas auf ihrer Heckscheibe glatt zu streichen und es zu bewundern, was immer es war. Ima erkannte lediglich ein paar leuchtende Farben.
»Was tut sie da?«, fragte sie ihre Schwester.
»Siehste nich, was sie auf die Scheibe geklebt hat? Das is einer von den Regenbogenaufklebern. Kannste dich nich an all die Regenbogenflaggen und -aufkleber erinnern, als wir noch im French Quarter gewohnt ham?«
Ima schnappte so heftig nach Luft, dass sie in ihrem Deltawagen nach vorn kippte und direkt in die Gardinen fiel. Halt suchend griff sie danach, doch die Gardinen rissen ab und fielen zu Boden. Barbie Fogg starrte auf die Clot-Schwestern, die sie durch das plötzlich durchsichtig gewordene Fenster ansahen, und winkte ihnen zu, während die beiden eilig außer Sicht schlurften.
»Lennie«, rief Barbie, als sie durch den Vorraum in die Küche trat, wo ihr Mann im Kühlschrank stöberte. »Du errätst nie, was heute Abend passiert ist.«
»Da hast du wahrscheinlich recht«, antwortete Lenny gereizt, während er eine Dose Budweiser öffnete. »Und ich versuch es gar nicht erst.«
»Das ist doch nur eine Redensart«, sagte sie wie immer.
»Wo warst du so lange? Ich habe dich schon vor Stunden erwartet.«
»Weißt du, der Verkehr und die armen Leute im Altersheim«, erwiderte sie. »Ach, Lennie, ich habe heute Abend eine neue Freundin gefunden, und jetzt klebt ein Regenbogen auf meinem Minivan!«
»Was hast du gemacht? Bist du durchs Gewitter gefahren und hast 'n Topf voll Gold gefunden?« Lennie schüttete das Bier hinunter und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Schlafen die Mädchen?«, fragte Barbie, schaute ebenfalls im Kühlschrank nach und beschloss, ihren Regenbogen mit Mike's Hard Lemonade zu feiern. »Wäre so ein Topf voll Gold nicht toll?«
»Ja, ja. Hör mal«, sagte Lennie, »einer meiner Kunden hat Eintrittskarten für das Rennen am Samstagabend, und du weißt ja, dass ich an dieser Maklerkonferenz in Charlotte teilnehmen muß. Willst du die Tickets haben, oder soll ich sie jemandem anders geben?«
»Ich könnte einen Babysitter suchen und eine Freundin mitnehmen«, erwiderte Barbie und verschwieg wohlweislich, dass sie um nichts auf der Welt eines der Rennen verpassen würde und überglücklich war, anstelle ihres Mannes hingehen zu können.
Barbie hatte eine heimliche Schwäche für den Rennfahrer Ricky Rudd, der eine makellose, samtweiche Haut und sehr süße blonde Haare hatte. Immer wenn sie Fotos von ihm sah mit dem großen Texaco-Stern auf seinem bunten Rennanzug oder im Fernsehen zuschaute, wie er im knallroten Monte Carlo mit der Nummer 28 seine Runden drehte, prickelte es am ganzen Körper, und sie setzte sich hin, um ihm einen weiteren Brief zu schreiben. Seit Jahren schrieb sie ihm. Sie hatte ihm schon lange wöchentliche Berichte geschickt, als er noch in North Carolina gelebt hatte, und nach seinem Umzug i n seinen Heimatstaat Virginia hatte sie versucht, seine Telefonnummer herauszubekommen. Er hatte natürlich nie zurückgeschrieben, aber sie war der festen Überzeugung, dass er sich gemeldet hätte, wenn sie ihren richtigen Namen genannt und einen Absender angegeben hätte.
Neben Ricky himmelte Barbie auch Bo Mann an, der ihr letztes Jahr aufgefallen war, als er während des Chevy Monte Carlo 400 das Pace Car gefahren hatte. Nach zahlreichen Erkundigungen in den Boxen war es Barbie gelungen, ein Foto von sich und Bo machen zu lassen und ihm seine Adresse zu entlocken.
»Wenn ich dir das Foto mit einem frankierten Rückumschlag schicke, signierst du es dann?«, hatte sie Bo gefragt, als sie nach dem Rennen zusammen vor dem Pace Car posierten.
»Was, das Foto oder den Umschlag?«, hatte er zurückgefragt. Ach, Barbie flog auf Männer mit Humor!
»Ich habe gehört, heute Nacht ist am Fluss ein Mann in die Luft geflogen«, sagte Lennie gerade. »Da treibt sich also noch ein
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