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Insel der Rebellen

Insel der Rebellen

Titel: Insel der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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beinahe eine antike Leuchte umstieß. »Hast du's ausgedruckt?«
    »Selbstverständlich«, sagte Mrs. Crimm hoheitsvoll. »Da du deine Lupe nicht finden kannst, muss ich es dir wohl vorlesen. Doch ich fürchte, es wird dich ärgern, Bedford, und dein U-Boot ins Schlingern bringen.«
    Der Gouverneur konnte es nicht ausstehen, wenn seine Frau sein U-Boot, so ihre familieninterne Bezeichnung für sein Verdauungssystem, in aller Öffentlichkeit diskutierte.
    »Ist noch jemand da?«, fragte er und blinzelte umher, um sicherzugehen, dass sich niemand in Hörweite befand.
    »Niemand ist hier, Liebster. Nur du und ich. Jetzt sind wir fast im Frühstückszimmer. Hier nach rechts, und pass auf mit der Lithographie. Hoppla! Warte, ich häng sie wieder gerade.«
    Er hörte ein scharrendes Geräusch, als sie die Lithographie zurechtrückte, die er gerade mit seiner großen Nase angestoßen hatte.
    »Wenn ich mir noch einmal an dem verdammten Ding den Kopf stoße ...«, drohte er, während er ins Frühstückszimmer schlurfte und nach einem Stuhl griff. »Was ist das überhaupt?«
    »William Penns Vertrag mit den Indianern.« Mrs. Crimm schüttelte eine Leinenserviette aus und steckte sie unter den Kragen seines Hemdes, das er falsch zugeknöpft hatte und das weder zu seinen Hosenträgern mit Paisleymuster passte noch zu der grünen Samtweste oder der gestreiften Krawatte.
    »Wir sind nicht in Philadelphia, und ich verstehe nicht, was William Penn in der Villa zu suchen hat«, sagte der Gouverneur.
    »Seit wann hängt das hier?«
    Offenbar hatte er die flüchtige Affäre seiner Frau mit kostspieligen Lithographien vergessen, wenn er si e überhaupt je zur Kenntnis genommen hatte. Der Gouverneur seufzte, als Pony mit der Kaffeekanne auftauchte.
    »Guten Morgen, Sir«, grüßte Pony, während er Kaffee einschenkte.
    »Überhaupt nicht gut, Pony. Ganz im Gegenteil. Die Welt geht zum Teufel.«
    »Bestimmt, Sir, das is so«, pflichtete ihm Pony unter mitfühlendem Kopfnicken bei. »Ich sach Ihnen, ich dachte, die Welt is schon lange beim Teufel, aber da hab ich falsch gelegen. Ganz falsch. Alles wird bloß immer schlimmer, ja, so isses. So schlimm, dass ein Mann in die Kirche rennen und den Herrgott anflehen möchte, uns doch bitte bitte aus unserm Elend zu erlösen und uns und allen unsern Feinden unsre Sünden zu vergeben und die Menschen auf den rechten Weg zu bringen. Was is bloß los mit den Menschen?«
    »Wissen Sie noch, neulich, wenn die Leute mit dem Essen für Ihr Fest aufgetaucht sin?«, fuhr Pony fort. »Ich hab mich bloß um meine Sachn gekümmert, hab ihnen Tee gebracht, da hör ich, wie eine zur annern sacht: >Ich frag mich, ob ich wohl eine von diesen kleinen Teetassen mitnehmen kann, die mit dem ,Commonwealth of Virginia' drauf. Was glaubst du?< - >Ich wüßte nicht, warum nicht<, sacht die annre. >Du zahlst Steuern<, sacht die erste. >Und gehört sowieso nichts der Crimm-Familie persönlich. Es gehört uns allen.< - >So wahr es einen Gott im Himmel gibt. Es gehört uns allen.<«
    »Und denn«, fuhr Pony fort, während er sich für seine Geschichte erwärmte, »haben sich beide ihre Teetassen in ihre großen Handtaschen gestopft, können Sie mir glauben.«
    »Warum in aller Welt .?« Die First Lady stotterte vo r lauter Schreck und Abscheu. »Warum um Himmels willen hast du sie nicht davon abgehalten! Ich hoffe doch nur, dass sie nicht die Tassen ohne Henkel und die Untertassen genommen haben, diese entzückenden Pearlware-Dinger mit dem Blumendekor.«
    »O nein, Ma'am«, versicherte Pony. »Es waren die mit Henkel und dem Staatswappen in Gold.«
    »Sie hätten diesen Leuten überhaupt gar keinen Tee servieren sollen«, rügte Mrs. Crimm Pony. »Und vor allem nicht in den offiziellen Teetassen. Die Leute vom Partydienst sind Dienstboten, keine VIPs. Ist doch wahr?« Sie blickte Beistand suchend zum Gouverneur hinüber, der gerade Kaffee auf die Tischdecke gekleckert hatte und beim Absetzen der Tasse die Untertasse verfehlte.
    »Wir müssen wirklich aufhören, so großzügig mit den Leuten umzugehen, Bedford. Das nächste Mal taucht hier irgendein Taxifahrer oder Müllkutscher auf und verlangt eine private Führung und eine Tasse Tee aus den Staatstassen.«
    »Die Villa gehört uns nicht«, erinnerte sie der Gouverneur, und düstere Gedanken sammelten sich in seinem Kopf wie eine Schar unfreundlicher Menschen in einem Fahrstuhl, als sich die Tür zu seinem Geduldszentrum schloss und es mit seiner Stimmung abwärts ging.

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