Insel der Rebellen
würde. Da s schlechte Gewissen nagte ein bisschen an Fonny Boy, als er vor der Krankenstation auf sein Fahrrad stieg, davonradelte und weiter an seinem Yankee Doodle übte. Vielleicht hätte er doch ein bisschen freundlicher zu Dr. Faux sein und ihm sagen sollen, dass Essen und Trinken unterwegs waren. Womöglich hätte er auch besser beherzigen sollen, was er in der Kirche gelernt hatte, aber die Beteiligung an den aufständischen Umtrieben hatte Fonny Boy in eine aufmüpfige Stimmung versetzt.
Übermütig fühlte er sich aufgelegt zu Unfug und Schabernack. Laut spielte er auf seiner Mundharmonika und trat schneller in die Pedale als gewöhnlich, sodass er in höllischem Tempo über die beiden Streifen auf der Janders Road jagte. So raste Fonny Boy durch die kalte Luft und den Mondschein und nahm kaum von seiner Tante Ginny Notiz, die sich in einem Golfcart auf dem Weg zur Krankenstation befand.
»Heee!«, rief sie ihm zu, als sie auf der Straße aneinander vorbeifuhren. »Spiel di Brummis nöd mitte in dä Nacht. Du machscht mi jo dä Lüt varruckt!«
Fonny Boy antwortete mit einem lauten, rebellischen Ton und wünschte, er hätte nicht schon wieder die Watte verschluckt. Das letzte Mal hatte die Verstopfung eine Woche gedauert. Langsam wie ein Gletscher hatte sich die Watte durch seine Eingeweide bewegt, und als sie endlich den Weg nach draußen fand, war er bei seinem Vater auf dem Boot - weit und breit weder Toilette noch Land.
Als Ginny wenig später mit einem Tablett voller Krebsküchlein, heißen Brötchen und Margarine in den Lagerraum trat, betete Dr. Faux wieder.
»... Amen, lieber Gott. Ich meld mich später noch mal. Bist du es, Fonny Boy?«, fragte der Zahnarzt hoffnungsvoll. »Möge der Herr ein Einsehen haben. Es is t eiskalt hier drinnen. Wo kommt denn plötzlich dieses Winterwetter her?«
»Hätt där Wind in dä Bucht gblase. I han Veschper ond Wasser.«
»Ich muss auf die Toilette.« Es war Dr. Faux peinlich, dies einer Frau zu gestehen, an deren Mund er sich jahrelang vergangen und bereichert hatte.
Ginny sagte, sie sei einverstanden, wenn er verspreche, auf den Klappstuhl zurückzukehren, sich fesseln und die Augen wieder mit dem Halstuch verbinden zu lassen.
»Wenn Sie mich fesseln und mir die Augen verbinden, dann kann ich nicht essen«, beschwerte sich Dr. Faux, als Ginny ihn befreit hatte und er ins Dämmerlicht des Geräteraums blinzelte.
»I sitz hi, ohndass d' zruckkommscht vun dei Gschäft, und denn bin i komme, um di nix z' verzelle.« Das war Ginnys Art, zum Ausdruck zu bringen, sie wäre bereit, ihn in Ruhe auf die Toilette gehen zu lassen, falls er nicht versuche, sie auszutricksen und abzuhauen, habe aber nicht die geringste Absicht, ihm irgendwelche Informationen zukommen zu lassen.
Während der Zahnarzt in der Toilette verschwand, setzte sie sich auf eine Kiste mit Proben antibakterieller Seife und ließ sich noch einmal all die Neuigkeiten durch den Kopf gehen: die Raserfallen, die Eroberung der Insel durch NASCAR und das, was der Trooper über die kriminelle Zahnbehandlung der Inselbewohner gesagt hatte. Sie und einige andere Frauen hatten sich bei Spanky's versammelt und sich vorgenommen, überall Schilder auszuhängen, an den Zäunen, in den Restaurants und in den Läden, um der gesamten Einwohnerschaft von Tangier die Neuigkeit zu vermelden. Sogar den Kapitänen der Fährschiffe hatten sie es erzählt, die versprachen , NASCAR und den betrügerischen Zahnarzt in die Vorträge aufzunehmen, die sie hielten, während sie die Touristen zwischen Crisfield und Reedville hin und her schipperten.
Dr. Faux kehrte in seinen Klappstuhl zurück und fragte Ginny, wie sie mit ihrem Gebiss zurechtkomme.
»Wi allewil«, sagte sie. »Ond mär isch schlacht vun dä letzt Woch, wenn du dä Zähn gzoge hascht. Vorgeschtern Abend muscht i spucke.«
»Wenn Ihnen übel ist und sie sich übergeben, dann ist das sicher nur eine Virusinfektion«, log Dr. Faux. »Und es hört sich so an, als würde Ihr Gebiss etwas klappern.«
»Wann dä Kräm nolasst.«
»Na, wenn Sie eine neue Tube Haftcreme brauchen, dann können Sie ja gleich eine mitnehmen.« Hungrig biss Dr. Faux in ein Krebsküchlein. »Die sind im mittleren Schrank im Untersuchungszimmer.«
Schweigend sah Ginny ihm beim Essen zu und kämpfte mit einem tiefen Groll, der sich rasch zum Hass auswuchs. Sie war eine gläubige Kirchgängerin und wusste, dass Hass eine Sünde war, aber sie konnte nicht dagegen an, als sie den
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