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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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hättest du denn Appetit?«, riss mich Wills Stimme aus meinen Gedanken. »Hier gibt es zum Beispiel ausgezeichnete Steaks.«
    Beim Essen unterhielten wir uns über Belangloses, vom Schalten und Walten auf Grand Manitou über Lokalpolitik bis hin zu unseren Lieblingsfilmen. Wir erzählten uns gegenseitig Geschichten aus unserem Leben – einige waren ausgesprochen komisch, andere gingen ans Herz. Ich berichtete ihm von meinen Jahren in Europa und meiner Ehe, er mir von seiner Collegezeit und davon, wie er einmal in einer starken Strömung ganz in der Nähe der Küste fast ertrunken wäre.
    Doch dann spürte ich, wie sich die Atmosphäre zwischen uns veränderte und seltsam elektrisierend wurde. Früher war das immer der Moment gewesen, in dem ich erkannt hatte, dass ich gefährlich nahe daran war, mich in mein Gegenüber zu verlieben und diesem Gefühl nur allzu oft auch nachgegeben hatte. Heute war ich klüger.
    Nachdem wir unsere Mahlzeit beendet hatten, brachte uns der Ober die Rechnung.
    »Geh du doch schon mal zur Bar und hol uns zwei Grogs, während ich das hier erledige«, schlug Will vor. »Das wird uns auf der Rückfahrt wärmen.«
    Was für eine gute Idee! »Wird gemacht, Mr. Archer«, lächelte ich und schlenderte in Richtung Theke.
    Mit den Grogs in der Hand trat ich kurze Zeit später in die Nacht hinaus. Augenblicklich schlug mir feuchte Kälte entgegen. Will stand neben dem Wagen, um mir beim Einsteigen behilflich zu sein. Ich kletterte in die kleine offene Kutsche, und er breitete eine dicke Wolldecke über meine Beine, ehe er sich neben mich zwängte. Dann reichte ich ihm einen Becher, nippte an meinem eigenen und genoss es, wie das heiße Getränk meine Kehle hinunterrann.
    »Das ist einer der großen Vorteile einer Kutsche«, bemerkte Will, als wir mit den Pappbechern anstießen. »Man kann seinen Absacker unter dem Sternenhimmel trinken.«
    Vor Madlyns Haus zügelte er seine Stute. Ich war froh, so viele Lampen brennen gelassen zu haben – der warme Schimmer hinter den Fenstern wirkte heimelig und einladend.
    »Danke für den schönen Abend«, sagte ich, griff nach meiner Handtasche und zog die Decke von meinen Knien.
    »Ich habe zu danken«, erwiderte er sanft, schob einen Finger in mein Haar und spielte kurz mit einer Locke, ehe er sich vorbeugte, um mich zu küssen.
    Ich erstarrte unwillkürlich, wich zurück, sprang aus dem Wagen und rief ihm noch einen letzten Gruß zu, bevor ich die Auffahrt hinaufstürmte, als seien sämtliche Kreaturen der Hölle hinter mir her.

12
    »Hallo, Hallie, ich wollte Ihnen ein kleines Einzugsgeschenk vorbeibringen«, verkündete Mira am nächsten Nachmittag. Sie stand mit einem Picknickkorb in der Hand auf der Veranda.
    »Oh, vielen Dank«, freute ich mich.
    »Noch einmal ganz offiziell: Willkommen auf Grand Manitou!«
    Amüsiert nahm ich ihr den Korb ab. Er war schwerer, als ich erwartet hatte. »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen.«
    Einen Moment standen wir auf der Türschwelle und lächelten verlegen, dann besann ich mich auf meine Manieren. »Kommen Sie doch herein.«
    Wir gingen in die Küche, wo ich Teewasser aufsetzte und den Korb öffnete. Er war mit einem rotweiß karierten Tischtuch ausgeschlagen und mit lauter Delikatessen gefüllt: Scones, Kardamombrot, selbstgemachte Marmelade, Zitronenquark und sogar eine Flasche Rotwein. Ich fand es rührend, dass Mira sich die Mühe gemacht hatte, all diese Leckereien für mich auszusuchen, sie in einem Korb zu dekorieren und hierherzubringen, vor allem, wenn man bedachte, dass unsere letzte Begegnung ja eher frostig verlaufen war.
    Ich reichte Mira einen Tasse Tee, die sie in den leeren Raum zwischen uns hielt. »Auf Ihren Neuanfang!«
    Ein neuer Anfang. Die Worte hallten in meinen Ohren wider. Meine Gedanken waren in der letzten Zeit so von Krankheit und Tod erfüllt gewesen, dass ich es tatsächlich versäumt hatte, mir darüber klar zu werden, dass ich gerade dabei war, mir hier auf der Insel ein ganz neues Leben aufzubauen. Und kein schlechtes, wie ich fand.
    »Kommen Sie, wir trinken unseren Tee im Wintergarten«, schlug ich vor.
    »Ich habe dieses Haus immer geliebt«, meinte Mira etwas sehnsüchtig auf dem Weg dorthin. »Aber es ist Jahre her, seit ich zuletzt hier war.«
    Ich war sicher, dass hierin zumindest teilweise der wahre Grund für ihren Besuch lag – Mira wollte sich endlich einmal wieder in Madlyns Haus umsehen. Vermutlich wollte sie auch herausfinden, wie meine weiteren Pläne

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