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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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lange im Bett. In der Hochsaison kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Kutsche bekommen, aber jetzt, wo nur noch er fährt, müssen die Leute eben früher dorthin, wo sie hinwollen, wenn sie über kein eigenes Transportmittel verfügen.«
    Das waren unerfreuliche Neuigkeiten. Jetzt wusste ich nicht, wie ich nach Hause kommen sollte. Da Jonah in der Stadt wohnte, brauchte er weder Pferd noch Wagen. Will war auf dem Festland, und Mira wollte ich zu dieser späten Stunde nicht mehr behelligen. Was hieß, dass mir nur eins übrig blieb.
    »Dann gehe ich zu Fuß«, sagte ich, zu dem dunklen Hügel emporblickend. Unbehagen keimte in mir auf. »Es ist ja nicht so weit. Und etwas frische Luft wird mir guttun.«
    »Dann begleite ich dich«, erbot Jonah sich, was mir aber auch nicht gerade vernünftig vorkam. Er würde zwei Meilen hügelaufwärts und zwei wieder hinunterlaufen müssen, nur um mich nach Hause zu bringen.
    »Ach, Unsinn«, widersprach ich ihm. »Das ist wirklich nicht nötig!«
    Er sträubte sich noch eine Weile, gab aber nach, als ich ihn daran erinnerte, wie früh am nächsten Morgen sein Wecker klingeln würde, und wir trennten uns bei den letzten Häusern des Städtchens. Ich mochte Jonah sehr, obwohl eine äußerst seltsame Ausstrahlung von ihm ausging. Ganz schlau wurde ich also nicht aus ihm, aber eines wusste ich mit Sicherheit: Ein Paar würde aus uns beiden niemals werden. Da fehlte einfach irgendwas.
    Während ich meinen Weg nun allein fortsetzte, dachte ich über diese abendliche Verabredung nach. Während wir in der Bar gesessen hatten, war mir gar nicht aufgefallen, was mir jetzt durch den Kopf schoss: Jonah hatte viele Fragen gestellt, aber kaum welche beantwortet. Ich hatte meine ganze Lebensgeschichte vor ihm ausgebreitet, aber fast nichts über ihn erfahren; ich war so damit beschäftigt gewesen, über mich selbst zu sprechen, dass mir seine Zurückhaltung bezüglich seiner Person überhaupt nicht ungewöhnlich vorgekommen war.
    Was sollte ich im Nachhinein davon halten? Sein Verhalten widersprach dem der meisten Männer, die ich kannte, meinen Exmann mit eingeschlossen, der nichts lieber tat, als von sich zu reden. Ich nahm mir vor, Richard am nächsten Tag anzurufen, um ihm alles zu erzählen, was in der Zwischenzeit hier vorgefallen war. Das hatte ich bisher völlig vergessen.
    Während ich den Hügel erklomm, grübelte ich weiter. Der Abend war trotz mancher allzu persönlicher Fragen, die er gestellt hatte, angenehm verlaufen, aber zwischen uns war kein Funke übergesprungen. Ich empfand in seiner Gegenwart nicht annähernd das, was ich in der von Will empfand. Es schien, als sei es Jonah und mir bestimmt, nur Freunde zu sein und nicht mehr.
    Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich die Kutsche erst hörte, als sie mich schon fast erreicht hatte. Gerade noch rechtzeitig drehte ich mich um, um einen Zweisitzer, der dem von Will ähnelte und von einem schwarzen Pferd gezogen wurde, mit hoher Geschwindigkeit auf mich zukommen zu sehen. Mir blieb gerade noch genug Zeit, um in den Graben neben der Straße zu springen, da donnerte das Gefährt auch schon an mir vorbei. Der Fahrer, ein Mann, der mir vage bekannt vorkam, den ich aber nicht einordnen konnte, zügelte ein kurzes Stück von mir entfernt sein Pferd. Ich nahm an, er würde sich nun vergewissern, dass mir nichts geschehen war, und mir anbieten, mich mitzunehmen. Aber weit gefehlt.
    Stattdessen drehte er sich nur zu mir um und grollte: »Sie sollten so spät in der Nacht nicht allein auf der Straße herumlaufen, Halcyon! Das ist gefährlich. Hier draußen kann alles Mögliche passieren.«
    Mir hatte es die Sprache verschlagen. Was zum Teufel wollte er damit sagen? Drohte er mir etwa? Und dann fuhr er weiter. Einfach so, ohne mir anzubieten, mich nach Hause zu bringen. Ein echter Kavalier! Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah zu, wie die Kutsche in der Dunkelheit verschwand.
    War das eben wirklich geschehen? Hatte dieser wildfremde Mann mich bedroht? Ich konnte ja verstehen, dass manche Leute auf dieser Insel meinem Vater seine Taten noch immer nicht verziehen hatten. Aber was hatte der Kerl denn gegen mich ? Ich war fünf Jahre alt gewesen, als sich die Ereignisse auf Grand Manitou überstürzt hatten, um Himmels willen!
    Mir war klar gewesen, dass ich mit Feindseligkeiten zu rechnen haben würde, sobald die Leute herausfanden, wer ich war – der Zwischenfall mit Mrs. Sutton im Supermarkt war schließlich das beste

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