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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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glitzernden Bäumen, Veranden und Zäunen zurückgeworfen und blendete sie. Während der Nacht war ein guter Meter Schnee gefallen, der stellenweise bis zu den ersten Stockwerken der Gebäude reichte.
    Hannah versuchte, von ihrem Haus zur Klippe zu gelangen, aber sie brachte nicht die Kraft auf, sich einen Weg durch die Schneemassen zu bahnen. Nein, andere, deren Seelen nicht von Trauer verdunkelt waren, würden sich mit Schneeschuhen und Schaufeln durch die tödliche weiße Pracht graben müssen. Sie selbst ging ins Haus zurück, ließ sich in einen Sessel sinken und wartete darauf, dass jemand zu ihr durchkam.
    Das Schicksal sorgte wenigstens dafür, dass nicht sie diejenige war, die die erfrorenen Leichen ihrer Töchter hatte finden müssen, deren vor Entsetzen verzerrte Mienen unter der dicken Eisschicht, die sie überzogen hatte, mit grausamer Klarheit zu erkennen waren.
    Aber Hannahs Töchter waren nicht die einzigen Opfer dieses furchtbaren Sturmes. Noch fast eine Woche nach dem Unwetter mussten die Bewohner der Insel mit ansehen, wie die steifen Leichname von zahlreichen Seeleuten, die auf Dampfern, Frachtern und Fischerbooten ums Leben gekommen waren, nacheinander in einer grausigen Totenparade an Land geschwemmt wurden.«
    Ich dachte an die Nacht, in der ich von meinem Vater geträumt hatte. Jetzt wusste ich, um wen es sich bei all diesen verlorenen Seelen gehandelt hatte. »Was ist aus Simeon geworden? Hat er überlebt?«
    Wieder nickte Iris. »Auf wundersame Weise, ja. Jeder an Bord seines Dampfers blieb seltsamerweise am Leben. Die Wellen hatten das Schiff auf einen großen Felsen geschleudert, auf den es aber aufgelaufen war, sodass es nicht sank, obwohl es stark beschädigt wurde. Alle Passagiere hatten sich auf der Kapitänsbrücke zusammengedrängt, und nachdem der Sturm abgeflaut war, nahmen sie alles, was sie finden konnten, um Türen und Fenster einzuschlagen. Aber es half ihnen nichts. Auch dieses Schiff wurde mit einer dicken Eisschicht überzogen. Sie waren sozusagen lebendig begraben.
    Zum Glück war bereits Hilfe unterwegs: Am nächsten Tag machten sich Männer von der Insel in Fischerbooten auf den Weg zu dem Dampfer und stellten erstaunt fest, dass alle Passagiere noch am Leben waren. Die Männer kehrten zur Insel zurück, bewaffneten sich mit Eispickeln und Spaten, fuhren erneut zu dem Dampfer hinüber und machten sich daran, die eisige Hülle zu sprengen.
    Aber Simeon dankte dem Himmel nicht lange dafür, dass er den Sturm überlebt hatte, denn als er heim kam, erfuhr er, dass seine geliebten Töchter tot waren und sich seine Frau in einem fast komaartigen Trauerzustand befand. Da begriff er, dass der Zorn der Natur ihn zwar verschont, ihm aber dafür alles genommen hatte, was er liebte.
    Die Zeit verging. Hannah kam allmählich über den größten Kummer hinweg. Sie und ihr Mann suchten beieinander Trost und begannen ihr Leben weiterzuleben. Ein paar Jahre später bekamen sie schließlich einen Sohn.
    Aber das ist noch nicht das Ende dieser traurigen Geschichte! Seltsamerweise wurde Hannah Hill bis zu ihrem Todestag nie wieder so grausam von einem Sturm überrascht wie an jenem verhängnisvollen Tag.«
    »Wie meinen Sie das, Iris?«
    »Wann immer ein Sturm aufzog – sei es nun ein emotionaler wie der, der sie mitriss, als Simeon viele Jahre später eines nachmittags auf dem Golfplatz an einem Herzanfall starb oder ein von der Natur entfesselter wie der, der ihre Töchter das Leben gekostet hatte –, hörte sie kurz zuvor stets leise Stimmen, die sie vor der drohenden Gefahr warnten.«
    »Woher wissen Sie das eigentlich alles, Iris? Haben Sie diese Erzählung von meiner Mutter?«
    Iris’ Körper straffte sich ein wenig und richtete sich dann vor Stolz auf. » Ich war diejenige, die Ihrer Mutter und davor deren Vater das alles erzählt hat. Ich war hier, ich war dabei! Meine Mutter war Hannahs und Simeons Haushälterin. Wir wohnten hier, im zweiten Stock dieses Hauses. Ich kannte die Mädchen, und ich habe das ganze Unglück miterlebt. Und auch alles, was danach kam.«
    »Sie kannten Hannahs Töchter?«, vergewisserte ich mich verblüfft.
    »Natürlich! Ich habe mit ihnen gespielt. Ich war damals selbst noch ein Kind.«
    Aus irgendeinem Grund fiel es mir schwer, mir vorzustellen, wie die unheimliche Iris mit den drei Mädchen spielte. »Und wo waren Sie, als der Sturm wütete?«
    »Mit meiner Mutter auf dem Festland«, erwiderte sie. »Es war ihr freier Tag, und wir wollten einen

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