Insel der schwarzen Perlen
gezeugt worden war. In ihr wäre dann lediglich ein Sechzehntel Hawaii.
Setzten sich bei ihr die polynesischen Gene derartig stark durch? Maja hatte immer exotischer ausgesehen als ihre beiden Geschwister und hatte oft darüber gerätselt.
Vielleicht hast du ganz einfach am meisten Südsee im Gesicht, weil du eure Familiengeheimnisse erkunden musst â¦
Das war ihre romantische Freundin Ina mit ihrer Sehnsucht nach einer perfekten Erklärung für alles. Nur gab es die leider so gut wie nie, zumindest nicht in Majas Leben.
Sie nahm Papier und Stift und rechnete noch einmal zurück. Von der Geburt ihres Vaters zog sie fünfundzwanzig Jahre ab. So alt ungefähr musste der hübsche junge GI aus Hawaii gewesen sein, der als Mitglied der amerikanischen Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland kam. Er hatte ihrer deutschen GroÃmutter den Kopf verdreht, und sie hatten nicht aufgepasst. Die Pille gab es noch nicht, und Majas GroÃmutter war eine gläubige Frau. Sie hat das Kind bekommen und später wieder geheiratet. Nur Majas Papa hatte eine Spur der Südsee im Gesicht.
Die Tatsache, dass dieser GI sich nie dafür interessierte, was aus seinem deutschen Sohn wurde, machte Maja immer traurig. Ihr Papa hatte es deswegen als Kind nicht leicht gehabt. Anders auszusehen als die anderen Kinder, von einem Besatzungssoldat gezeugt worden zu sein, der seine Mutter nicht heiraten wollte, hatte ihm in der Kindheit viel abverlangt. Er hatte Maja einmal gesagt, dass er deshalb so fleiÃig in der Schule war und sein Staatsexamen in Jura mit Bestnote bestanden hatte. Er wollte nie wieder infrage gestellt werden.
Maja vergröÃerte den Ausschnitt des Fotos, bis man das Flugzeug und den Leuchtturm nicht mehr sah. Elisa, die junge Mutter und der Kinderwagen bildeten jetzt eine harmonische Einheit. Wer auch immer in dem Kinderwagen lag, war hoffentlich von Elisa geliebt worden, so wie Majas Papa von seiner Mutter und GroÃmama geliebt wurde.
Maja ging zum Spiegel. Oft suchte sie in ihrem Gesicht nach Antworten. Ihre Nase hatte nichts mit dem nordischen Erbe ihrer Mutter zu tun, auch nicht ihr sinnlicher Mund.
Der Computer meldete sich erneut. Diesmal war ihr Vater bei Skype online. Schlief er denn in dieser Nacht überhaupt nicht?
Nach einer kurzen BegrüÃung entschuldigte er sich bei ihr für seine E -Mail mit den Fotos. Er hätte nicht nachgedacht, wollte Maja wegen des Grundstücks nicht umsonst aufregen.
Ich möchte nur, dass du alles weiÃt ⦠wirklich alles.
Doch als sie nachfragte, blieb es bei vagen Andeutungen über Familiengeheimnisse, die vielleicht für immer im Dunkeln bleiben würden. Maja wurde nicht klug aus seinen Worten, doch sie riet ihm, dringend ins Bett zu gehen. So kannte sie ihn nicht. Er nickte. Sie verabschiedeten sich liebevoll, denn bereits am kommenden Tag würde er auf seine Geschäftsreise aufbrechen. Termine in London, Singapur und zuletzt Honolulu. Danach zwei Wochen Ferien auf Kauai.
»Du bekommst ein eigenes Bett, Papa!«
»Das will ich hoffen!«
»Würdest du lieber mit Ina oder mit Stefan in einem Zimmer schlafen?«
»Wenn du mich so fragst â¦Â«
So scherzten sie noch eine Weile, als es ihr mit einem Mal einfiel. Sie wollte ihren Vater nach der Herkunft des Ringes ihrer GroÃmutter fragen.
»Sag mal, Papa, wo hat Oma eigentlich diesen Ring her? Es steht Hamburg drin, auch eine Jahreszahl ⦠Wo kommt er eigentlich her?«
Sie hielt den Ring näher an die Kamera, doch ihr Vater wusste auch so, wovon sie sprach. Seine Stimme klang zögernd.
»Es ist eine lange Geschichte ⦠und es ist nicht die Geschichte meiner Mutter. Sie hat dir den Ring zwar geschenkt, aber nur, weil ich ihn dir nicht selber schenken konnte ⦠Doch das ist im Augenblick nicht das Thema. Ich muss jetzt schlafen. Wir sprechen darüber, wenn wir uns von Angesicht zu Angesicht sehen, ja?«
Ihr Abschied war wie immer herzlich und warm. Ihr Vater vergaà nicht, sich nach ihren Herzproblemen, seinem Enkelsohn, nach Keanu und dem Haus zu erkundigen, doch Maja blieb unruhig, als er vom Bildschirm verschwand. Etwas stimmte nicht. Wieso war der Ring jetzt doch nicht von ihrer GroÃmutter? Woher hatte ihr Vater ihn? Auch er kam wohl nicht zur Ruhe. Zehn Minuten später, als Maja bereits das Gemüse für den Reissalat schnippelte, kündigte ihr Computer eine weitere E -Mail an. Er
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