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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Kraft. Sie kam aus der Richtung des Riffs. Sie konnte diese Kraft auch spüren, als ein lebendiges Versprechen. Immer noch sah sie nur Dunkel, doch ihr war, als würde sie etwas hören. Die alten Frauen atmeten neben ihr, sie selbst atmete, und das Herz in ihrer Brust schlug schnell und aufgeregt. Doch da war noch etwas anderes. Sie hörte Rauschen in der Tiefe, dann ein Knistern, als befände sie sich weit unter der Meeresoberfläche. Dann das Schlagen vieler Herzen um sie herum, als wäre sie in einem Schwarm von Wesen, die in der Tiefe das Wasser durchpflügen. Als Nächstes ein Wimmern, wie das Weinen eines neugeborenen Babys. Jetzt kam die Farbe aus dem Schwarz auf Maja zugeschossen. Es war ein dunkles Ochsenblutrot, das schnell heller wurde, bis es aussah wie Blut. Erschrocken riss sie ihre Augen auf.
    Â»Nein!«
    Das Weinen stoppte, das Blut war weg, aber sie zitterte am ganzen Körper. »Ich muss aus dem Wasser … hier werde ich krank.« Maja stieß sich mit den Füßen vom Untergrund ab und begann, zum Ufer zu schwimmen. Das Meer war ihr unheimlich, sie wollte nur noch an Land.
    Â»Was hast du gesehen?«
    Mai schwamm hinter ihr her, ihre Stimme klang scharf. »Es war nicht das Blau?« Maja schüttelte ihren Kopf, wollte aber nicht reden. Erst als sie am sicheren Ufer waren, erzählte sie von dem Wimmern und dem Blut, das immer heller wurde.
    Mai schien sogleich klar zu sein, was das zu bedeuten hatte. Beide Schwestern waren still. Maja sah von einer zur anderen, und mit einem Mal war sie wütend. »Habt ihr nicht eine Geschichte für mich, die mich fröhlich macht oder mir zumindest meine Angst nimmt? Eine schöne Geschichte von Elisa?«
    Die Schwestern nickten sich zustimmend zu. Während die drei von den Badesachen in trockene Kleidung wechselten, begann Mai zu erzählen.
    Â»Elisas Geschichte ist deine Geschichte, aber sie ist auch meine Geschichte und Sabjis Geschichte. Jeder ist anders. Wir sind Schwestern, aber wir haben unterschiedliche Väter. Sabji hatte Pech …«
    So erfuhr Maja, wie es kam, dass die Schwestern bis heute auf das Rote Haus aufpassten und Elisa auf ihre Weise die Treue hielten. Aber vor allem erfuhr sie, was für ein schweres Leben für Sabji schon mit ihrer Geburt begann.
    Ihr Vater war ein Japaner, der zwar teilweise in Honolulu lebte, weil er auch dort Familie hatte, doch als Pilot wurde er im Krieg von Japan eingezogen und musste einen Angriff auf Pearl Harbor mitfliegen.
    Â»Niemand wusste, dass seine Geliebte ihm ausgerechnet an diesem Tag in Honolulu ein kleines Mädchen gebar. Sie war noch jung, sie hatte sich verliebt und wollte das Kind. Doch wäre Elisa nicht gewesen, man hätte meine Schwester gleich nach der Geburt ertränkt. Du musst wissen, Sabji wurde geboren am Tag vom Angriff auf Pearl Harbor. Wie weiße Hibiskusblüten trieben die Gesichter der toten Amerikaner in unsere Bucht. Man hasste den Vater von Sabji, doch Elisa verstand unsere Mutter. Sie kannten sich gut. Der Japaner hat unsere Mutter geliebt, aber er hat auch viele weiße Blüten in den Tod getrieben … Natürlich war Deutschland an allem schuld. Euer Hitler!«
    Mai sprach den Namen wie Hieeetler aus. Es klang wie eine ansteckende Krankheit. Sabji warf ihrer Schwester einen warnenden Blick zu, doch Mai fuhr fort.
    Â»Elisa hat Sabji das Leben gerettet. Und damit ist Elisas Geschichte auch die Geschichte von unserer Mutter. Mit dem Baby folgte unsere Mutter Elisa nach dem Krieg in das Rote Haus. Dort arbeitete sie als Köchin, dann kam ein paar Jahre drauf ich zur Welt. Doch mein Vater verschwand auf Nimmerwiedersehen. Vielleicht waren Elisa und unsere Mutter beste Freundinnen für eine kurze Zeit? Ich weiß es nicht …«
    Mai lächelte traurig. »Ich war vier Jahre alt, als Elisa mit Kelii zu den Sternen schwamm. Einige der alten Kahuna kamen extra aus den Bergen. Ich war klein, aber ich wusste, wie sehr Elisa uns geliebt hat. Wir waren ihre Zauberblumen, ihre frechen Seepferdchen und ewigen Schleckermäulchen. Wir bringen ihr Glück, pflegte sie zu sagen. Wenn sie zum Pokerspiel einlud …«
    Maja unterbrach: »Poker? Elisa spielte Poker? Um Geld?«
    Â»Nein, vor allem spielte Elisa um Menschenseelen, sie war Kahuna, wie du weißt … sie war vielleicht auch im Bund mit Peles dunklen Mächten. Warum sonst wäre sie mit ihrer großen Liebe im Meer verschwunden?

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