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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Kelii und sie sind für uns nicht tot, sie sind aber nicht mehr am Leben. Sie sind ha.«
    Von ha hatte Maja schon öfter gehört. Es war ein Wort für spirituelle Energie, aber es bedeutete auch die Zahl Vier oder aber einen Pflanzenstiel. Trotzdem verstand Maja nicht, was Mai ihr mit ha sagen wollte und fragte nach. Offensichtlich bereitete das den Schwestern Vergnügen. Ha sei eben ha. Da bräuchte es keine großen Erklärungen. Es sei ein Wort für das Herz und nicht für den Verstand, ha eben. Die Schwestern lachten über das Fragezeichen auf Majas Gesicht, dann erzählte Mai weiter.
    Â»Elisa war als ältere Dame eine gewiefte Pokerspielerin und hat mehr als einem arroganten Missionary Boy seine kanaka abgekauft, vor allem die ganz jungen Mädchen, die sexuelle Dienste bei den Weißen verrichten mussten. Das wurde auch während des Krieges nicht besser, im Gegenteil. Viele junge Mädchen wurden abgefangen, wenn sie aus den Ananasfabriken kamen oder spätabends ihre Schicht als Bedienung in den Hotels beendeten. In Honolulu brummte der Tourismus, aber auch viele Soldaten kamen auf die Inseln, um sich zu erholen. Es war eine schlimme Zeit für junge Mädchen, die schutzlos waren oder Eltern ohne Geld hatten. Sie waren Freiwild …«
    Sabji spuckte auf den Boden, dann mahlte sie mit ihren Kiefern und kratzte sich erneut. Es war kein leichtes Thema für sie, das konnte Maja sehen. Doch Mai fuhr fort.
    Â»Hatte Elisa wieder einige Mädchen beim Poker gewonnen, dann kam sie mit ihnen nach Kauai, wo diese abgeknickten Blumen bei ihr und Kelii im Roten Haus Unterschlupf fanden, bis sie selber auf die Beine gekommen waren. Elisa war immer gut gelaunt, wenn sie beim Spiel gewonnen hatte und mit den neuen Mädchen im Hafen ankam. Sie kochte dann oft Karamell für uns auf dem alten Herd … Schmeckst du noch Elisas leckere Bonbons, makamae?«
    Makamae hieß so viel wie Liebling. Sabji lächelte jetzt wieder. Innerlich musste Maja über die raue Zärtlichkeit zwischen den ungleichen Schwestern lächeln. Mai nickte mit einem gewissen Funkeln im Blick.
    Â»Oh ja, Karamell vom Feinsten machte Elisa für uns auf dem Herd! Aber sie war eine leidenschaftliche Spielerin … Auch das Würfeln liebte sie. Um Menschenleben hätten Kelii und sie in ihren Jahren in der Leprakolonie gespielt, behauptete Elisa. Manchmal ließ sie uns den Totenkopf am Knauf ihres Stockes anfassen … ein Oberschenkelknochen.«
    Jetzt lachte auch Sabji, als wäre das eine besonders lustige Geschichte.
    Â»Sabji und ich, wir durften ihre magischen Würfel oft auf dem Küchenboden rollen. Sie waren aus den Knochen eines Mörders, sagte Elisa … Wie, du glaubst mir nicht … Sabji, bitte zeig Maja die Würfel. Nein, besser noch, wir schenken sie ihr gleich, bei roter Farbe braucht sie den Schutz der Toten, nicht nur ha.«
    Maja bekam bei dem herzlichen Abschied am Strand ein kleines rotes Seidensäckchen.
    Als sie den Weg zum Haus hochging, öffnete sie die fein gearbeitete Kordel. Auf ihrem neuen Esstisch schüttete sie die brüchige Seide aus. Solche Würfel wie diese hatte Maja noch nie gesehen. Auf jeder Seite waren zusätzlich zu der Zahl der Augen zwei gekreuzte Knochen eingeschnitzt, die an Piraten erinnerten. Elisas Menschenwürfel. Doch wollte Maja diese Geschichte glauben? Sie hatte sich schon längst ihre eigene Version des Verschwindens der beiden zurechtgelegt. Die ging aber ganz anders.
    Elisa musste viel Leid ertragen, aber am Ende ihres Lebens wurde sie mit ihrem Kelii trotz aller Widerstände glücklich. Als ein Paar im fortgeschrittenen Alter liebten die Deutsche und der Hawaiianer sich bis zum Schluss und waren schließlich zusammen verschwunden, also wahrscheinlich bei einem Unfall im Meer an Erschöpfung gestorben. Was gab es Schöneres? Ein wenig wie die Geschichte von Philemon und Baucis, das alte Paar aus den griechischen Sagen, das sich zur Belohnung für eine gute Tat von Zeus einen gemeinsamen Tod gewünscht hatte.
    In der Küche setzte Maja Wasser auf, um den Reis für den vegetarischen Reissalat, eines von Inas Lieblingsgerichten, zu kochen. Dabei dachte sie über das nach, was sie von den Schwestern erfahren hatte. Besonders der Begriff ha gab ihr zu denken. Wenn Elisa nicht wirklich tot, aber auch nicht am Leben war, wo war sie dann? War dieses ha im übertragenen Sinn zu

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