Insel der schwarzen Perlen
Frühling zu gefährlich waren. Durch einen Erdrutsch im März war eine Schneise entstanden. Einige Bäume waren über die Klippen ins Meer gestürzt, einer hing noch immer halb über einem Felsen, seinen Wurzelklumpen konnte Maja selbst im Dunkeln erkennen.
Das Wasser gluckste unter ihr. Mit ein paar gezielten Ruderschlägen sorgte Maja dafür, dass ihr Boot nicht zu weit vom Riff weggetrieben wurde. Den Bug in Richtung der Berge gewandt hielt sie es in Position.
Der sanfte Wellengang schaukelte sie in dieser lauen Sommernacht hin und her, während der letzten Woche war das Wetter traumhaft mild gewesen. Die warme Brise auf dem Meer machte selbst ihren Pulli überflüssig, sodass sie nur in ihrem Sommerkleid unter den Sternen lag. Am liebsten wäre sie ganz nackt gewesen, die weiche Luft auf ihrer Haut war wie ein Streicheln. Das leise Schaukeln des Bootes machte sie schläfrig, und ihr Baby war friedlich und strampelte ausnahmsweise einmal nicht.
Genüsslich schloss sie die Augen und dämmerte langsam weg. Im Halbschlaf lieà sie Leilanis Frage nach Elisa und ihren beiden Männern Revue passieren.
Liebte Elisa eine Zeit lang Johannes und Kelii?
Leilani hatte ihr die Frage vorhin im Boot gestellt, als sie vom Strand aufbrachen, aus dem Nichts, einfach so. Keanu und auch Stefan hatten ihre Meinung dazu abgeben. Sie hielten es beide für möglich. Eine Frau konnte zwei Männer lieben und umgekehrt. Es mussten nur alle damit einverstanden sein.
Bisher dachte Maja, Elisa fühlte sich Kelii mehr als jedem anderen Menschen auf der Welt verbunden. Doch inzwischen war sie sich keinesfalls mehr sicher. Die späten Briefe von Johannes und Elisa wahrten die Form, er schrieb bisweilen sogar von schwesterlicher Verbundenheit, doch am Vortag hatte Mai aus dem Roten Haus angerufen. Mit der Post war eine Heiratsurkunde aufgetaucht, datiert im Sommer 1910. Nur hatte Kelii zu diesem Zeitpunkt nicht Elisa geheiratet, sondern Okelani. War das der Grund, warum Elisa in Honolulu gemeinsam mit Johannes ein kleines Haus in der Nähe des Vulkankraters in Diamond Head gemietet hatte? In einem ihrer Tagebücher hatte Elisa einige Einträge aus dem Sommer 1910 gefunden. Auf drei Tagebuchblättern ballte sich glühende Leidenschaft. Jedoch war auf keiner der eng beschriebenen Seiten der Name Johannes erwähnt. Nur von einem Geliebten war die Rede, der Elisas Seele jede Nacht aufs Neue erbeben lieÃ.
Maja hörte hinter sich im Wasser ein Geräusch. Zunächst dachte sie, es seien bereits die drei Taucher, doch es war kein Licht zu sehen. Ãberhaupt war es jetzt dunkler als zuvor. Eine Wolkenwand hatte sich über den Mond geschoben, was die Sterne noch deutlicher erstrahlen lieÃ. Im Riff unter ihr konnte sie nichts als schwarze Dunkelheit erkennen. Sie überlegte, ob sie die Lampe auf ihrem Boot wieder einschalten sollte, die sie vorhin ausgeschaltet hatte, um die Lichter der Taucher besser zu sehen, doch sie entschied sich dagegen. Wieder hörte sie das Geräusch, es klang wie ein Prusten im Wasser. Und dann sah sie ihn, ungefähr hundert Meter weiter drauÃen in der Bucht hob sich die Silhouette eines Delfins kurz aus dem Wasser, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Dann sah sie noch einen und einen dritten, vierten und fünften Delfin. Es waren nicht sehr viele, sie hatte drauÃen am Leuchtturm von Kilauea mit Keanu schon sehr viel gröÃere Schulen von Delfinen beobachtet. Vielleicht waren es ein paar Jungtiere, die einen nächtlichen Ausflug abseits der Routen ihrer Eltern machen wollten, jedenfalls hatten sie sich dafür diese Bucht vor der Na-Pali-Küste ausgesucht und zogen ihre Kreise in weitem Bogen um das Riff mit Majas Boot. Jetzt sah Maja in der Tiefe wieder die Taschenlampen, allerdings leuchteten nur noch zwei, eine war verschwunden.
Kurz darauf hörte sie, wie leise ihr Name geflüstert wurde. Es war Keanu. Er nahm im Wasser seine Tauscherflaschen ab und hob sie mit ihrer Hilfe über den Bootsrand. Es folgten sein Taucheranzug, seine Flossen, seine Brille und die Taschenlampe.
»Hast du gesehen, ipo? Sie sind gekommen! Wegen dir sind sie hier und wegen unserem Sohn.« Seine Augen leuchteten. »Worauf wartest du ⦠sie wollen unseren Kleinen begrüÃen â¦Â«
Eine Minute später schwamm Maja an Keanus Seite nackt zu den Delfinen. Er hatte ihr empfohlen, ebenfalls alles auszuziehen.
»Ohne
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