Insel der schwarzen Perlen
Riff verschwand.
»Keanu und Leilani schwimmen in diesem Riff, seit sie Kinder sind. Sie kennen sich aus. Du brauchst dir sicher keine Sorgen zu machen ⦠hilfst du mir bitte zurück ins Boot?«
Damit Keanu sich schnell wieder anziehen konnte, hatte sie ihm den Vortritt gelassen. Das Wasser war nicht kalt, und sie hatte sich an der Seite des Bootes festgehalten. Jetzt wollte aber auch sie sich wieder anziehen, mit dem dicken Bauch kam sie die Leiter allerdings nicht gut hoch.
»Hier, nimm meine Hand.«
Stefan hatte sie schon oft nackt gesehen, und auch bei den ärztlichen Untersuchungen während der letzten Wochen war er dabei gewesen, doch der Moment, als Maja nackt vor ihm im Boot stand, war anders. Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden und wollte, ja, musste ihr etwas sagen.
»Du bist ⦠ihr seid ⦠ich meine, du und Keanu, ihr seid wie Götter aus einer anderen Welt ⦠das mit den Delfinen. Du ⦠du bist unglaublich schön, ich stammle hier wie ein Idiot ⦠hier, dein Handtuch.«
Er hatte sich taktvoll umgedreht, damit Maja sich im Boot abtrocknen und anziehen konnte. Sie hätte ihm gerne etwas Liebes gesagt, denn zum ersten Mal seit sie sich kannten, sah sie in ihm nicht den stets überlegenen Kardiologen auf der Ãberholspur, sondern einen verwundeten Mann.
Es schien noch eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis sie die Lampe gemeinsam tief unten im Wasser sahen. Erst als sie fast an der Oberfläche war, sahen sie zwei Taucher. Stefan atmete erleichtert auf.
Zu dritt versuchten sie, aus Leilani herauszubekommen, was sie dort unten so erschreckt hatte, dass sie sich in einer Höhle versteckt hatte und erst wieder hinaustraute, als Keanu sie dort abholte. Sie war kreidebleich, zitterte, und Stefan hatte ihr schnell einen seiner Notfalltraubenzucker zwischen die Lippen geschoben. Sie sagte das Wort auf Hawaiisch, doch Maja kannte es gut. Mano, ein Hai.
Er sei groà gewesen, alt und voller Narben, und würde in einem der Wrackteile wohnen, das sich ungefähr zehn Meter über dem Meeresboden befand. Keanu lächelte mild.
»Pupule ⦠du siehst Gespenster.«
13. Kapitel
Honolulu, Diamond Head, 1910
Elisa war zufrieden. Endlich war mit ihrer Hilfe eine Ausgabe von Liliâuokalanis Autobiografie erschienen, die sich sogar in England in den gehobenen Buchläden sehen lassen konnte. Der Verleger hatte nicht geknausert, doch es war viel Arbeit gewesen und hatte zahlreicher Briefe und einiger weiblicher Ãberredungskunst bedurft. Doch würden sich wirklich in Europa Leser finden? Der britische Verleger war zu Recht unsicher gewesen, doch dann hatte ihn der Mut seiner Kollegen in Amerika überzeugt.
Elisa lieà ihre Hand über den Einband aus schwerem Leder gleiten und öffnete den Goldschnitt der Seiten. Es war eine besonders schöne Buchbinderarbeit. Zweifelsohne erhöhte diese Investition die Wertigkeit des Inhalts, und sie war stolz auf das Vorwort, das auf ihre Anregung in einem eleganten Sepiafarbton gedruckt worden war.
Die Zeilen waren bereits im Jahr 1837 von dem hawaiischen Historiker David Malo als Prophezeiung des drohenden Unheils verfasst worden. Elisa hatte jedes ihrer Kinder diese Worte abschreiben lassen, hatte sie gerahmt über jedes der Betten gehängt. Nie sollten sie vergessen, wogegen sie wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang ankämpfen werden mussten: ihre Freiheit.
Wenn die groÃe Welle anrollt, werden riesige Fische aus den Tiefen des dunklen Ozeans kommen, die du nie zuvor gesehen hast.
Sobald sie die kleinen Fische entdecken, werden sie diese auffressen.
So ist es auch mit den groÃen Tieren, sie werden die kleineren Tiere zu ihrer Beute machen.
Die Schiffe mit den WeiÃen sind gekommen, und kluge Menschen kamen aus groÃen Ländern, die du nie zuvor gesehen hast.
Sie wussten, dass unsere Leute wenige waren und wir in einem kleinen Land leben.
Sie werden uns auffressen, so wie es immer schon mit den gröÃeren Ländern war, die Kleineren wurden verschluckt.
David Malo
Elisa saà noch eine Weile mit dem aufgeschlagenen Buch in der Hand in ihrem kleinen Büro. Inzwischen musste sie es am Washington Place mit niemandem mehr teilen. Liliâuokalani hatte aus Gründen der Sparsamkeit zwei ihrer treuen Mitarbeiter entlassen. Elisa durfte bleiben.
Sie konnte mehrere Sprachen, war fleiÃig und zuverlässig, zudem brauchte sie die Stellung dringend. Ihre
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