Insel der schwarzen Perlen
Familie zu ernähren war nicht einfach, doch vor allem war es das Schulgeld für die Kinder und die für den Schulbesuch notwendige Kleidung, die sie trotz ihres Gehalts immer wieder gezwungen hatte, Johannes um Hilfe zu bitten. Inzwischen war seine finanzielle Unterstützung jedoch für Elisa so gut wie selbstverständlich geworden. Sie war nicht stolz auf das, was sie seit einiger Zeit begonnen hatten, aber sie brauchte nicht nur seine Freundschaft, sondern inzwischen auch seine Leidenschaft in ihrem Leben. Und dann war da noch sein wertvoller Rat in beruflichen Fragen. Dank ihm kam Elisas Name in der ledergebundenen Ausgabe vor, zwar winzig klein, doch sie war unter den Danksagungen aufgelistet. Auf seinen Rat hin hatte sie insistiert.
Wegen Johannes hatte sie ihre Französischkenntnisse erweitert, für alle Länder auÃer Spanien war sie inzwischen zuständig. Gelegentlich übersetzte sie auch für Jansons Kontor am Hafen Briefe. Am meisten aber hatte sie sich in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Arbeit für Liliâuokalani mit den Memoiren der Königin beschäftigt. Sie mussten weltweit veröffentlicht werden, bevor Liliâuokalani zu alt werden würde, um Rede und Antwort zu stehen. Wie oft stritt sie sich mit Johannes über dieses Thema. Ihrer Meinung nach musste eine andere Regierung eingreifen oder zumindest offiziell anerkennen, was für ein Unrecht in Hawaii geschehen war und weiterhin geschah.
Johannes sah das anders. Es war der Lauf der Welt. Immer schon hatte der Stärkere den Schwächeren verdrängt, dabei spielten Kultur und humanitäre Werte stets eine untergeordnete Rolle. Es ging um Wirtschaft und Profit. Die Zuckerbarone Hawaiis waren mächtig, und der Erfolg gab ihnen recht.
»Seit die Regierung skrupellos ihren Kurs verfolgt, werden mehr und mehr Aliâi ins Abseits getrieben, ihr Einfluss schwindet mit jedem Jahr, und das Volk leidet â¦Â«
Johannes sah sie mit dem humorvollen Zwinkern an, das er sich trotz der silbernen Haare an seinen Schläfen aus seinen Jugendtagen bewahrt hatte, und zog sie zu sich.
»Genau deswegen werde ich dich auch heute Nacht in meinen Armen halten und nicht er â¦Â« Er hatte begonnen, Elisa zu lieben. Seine Frau sah er nur noch selten, seit Honolulu das wichtigste Handelskontor für Jansons Geschäfte geworden war. Das kleine Häuschen, das auÃerhalb der Stadt lag, hatte er gemietet, weil Elisa es lieber mochte als die Hotelzimmer, in denen sie sich in der ersten Zeit heimlich getroffen hatten. Kelii wusste davon, er hatte nur milde gelächelt, als sie es ihm bei einem ihrer Besuche gebeichtet hatte. Von Eifersucht keine Spur. Er war glücklich, sie zu sehen, wie immer erzählte er ihr, was es Neues in seinem Leben gab. Das erste Kind, das Okelani ihm geboren hatte, war ein kräftiger Junge. Moana hieà er, wie der Ozean. Dank der Gelder, die Elisa, aber auch Keliis Mutter dem Gefängnisdirektor unter der Hand zukommen lieÃ, konnten sie fast so leben wie eine Familie auÃerhalb der Gefängnismauern. Amala war jetzt ebenfalls öfter dort, brachte Kuchen und Kleidung. Immerhin ist sie Familie. Eines Tages wirst auch du ihr die Hand geben müssen. Eure Kinder sind Halbgeschwister.
Dennoch blieb die Situation für Elisa schwer, und oft fühlte sie sich zerrissen zwischen zwei Welten. Sie liebte Kelii und wusste, diese Liebe würde bis zu ihrem Tod tief in ihrem Herzen verwurzelt sein. Aber es fiel ihr schwer zu akzeptieren, dass eine Frau den Platz an seiner Seite hatte, obwohl sie auch daran mitschuldig war. Ihre Mutter hatte das Unglück ihrer Trennung direkt verursacht. Und blieb Clementia nicht trotz allem ein Teil von Elisa? Johannes gelang der Spagat zwischen den Kulturen sehr viel besser als ihr. Er liebte anders als sie, und nie hatte er infrage gestellt, wer er eigentlich war, auch nicht in seiner liebenden Ehe mit Leilani. Er gehörte zur weiÃen Oberschicht, die jetzt über diese Inseln herrschte und von ihnen profitierte. Er nannte es sein Geburtsrecht. Die Ureinwohner hatten einfach Pech gehabt. Dennoch war Johannes in ihren Augen ein guter Mensch und vor allem ein wunderbarer Freund und Liebhaber. Elisas Liebe zu ihm war stark, aber sie hatte nicht die gleiche Tiefe. Vielleicht hatten die Zähne des Hais, die vor vielen Jahren in ihr Fleisch eingedrungen waren, sie für immer an Kelii gekettet? Zumindest fand sie in ihrem Kopf
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