Insel der schwarzen Perlen
Mädchen herausnehmen. Wie ein Stück Vieh schänden sie sie und lassen sie irgendwo liegen. Oder sie bringen sie gleich um, vielleicht verkaufen sie unsere Mädchen auch in die Sklaverei ⦠Und keinem Täter geschieht etwas, seit unser Gouverneur beschlossen hat, es sei kein Vergehen, ein kanaka-Mädchen zu schänden.«
Elisa gab ihr recht, wollte aber für einige WeiÃe ein gutes Wort einlegen.
»Ich hasse den Gouverneur genau so sehr wir du, doch denk einmal an Johannes ⦠er ist ebenfalls ein WeiÃer!«
»Johannes ist in Ordnung, doch sein Stiefvater Piet van Ween ist das brutalste Schwein von allen. Und ich hasse auch deine verlogene Tante, diese Heuchlerin, und deinen ebenso verlogenen Onkel.«
Elisa zuckte noch nicht einmal mit der Wimper.
»Ich hasse meine Verwandten noch mehr als du â¦Â«
»Und deine Mutter?«
Elisa schwieg. Wahrscheinlich war ihre Mutter genau so rassistisch und grausam wie die anderen, doch noch konnte sie ihre Mutter nicht genauso hassen. Amala nickte wissend.
»Es muss furchtbar sein, eine Mutter zu haben wie deine. Für mich ist sie nicht besser als die anderen WeiÃen, und ich hoffe sehr, eines Tages wird unsere Göttin Pele alle verfluchten haole auf unseren Inseln mit glühenden Steinen erschlagen! Und wenn die Ratte van Ween heute nur ein falsches Wort sagt â¦Â«
Amala hatte sich in Rage geredet. Blanker Hass auf die weiÃen Einwanderer sprühte aus ihren Augen. Elisa legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
»Lass mich mit den Polizisten reden, und bleib du besser im Hintergrund ⦠Hass brütet nur mehr Hass. Was wir aber brauchen, ist Frieden.«
Amala nickte finster. Elisa hatte recht, aber es war schwer. Seit ihre Nichte verschwunden war und man sie auf der Plantage abgekanzelt hatte, hasste sie die WeiÃen noch mehr als zuvor. Jahrelange schlechte Erfahrungen mit Elisas Onkel und Tante hatten ohnehin untilgbare Spuren an Seele und Körper hinterlassen. Nicht nur Schläge waren an der Tagesordnung gewesen, sondern vor allem die demütigende verbale Grausamkeit von Elisas Tante. Ihre Worte nagten immer noch an Amala. Fast zwanzig Jahre hatte sie auf der Plantage Vogel gedient, in ihren Augen waren es zwanzig Jahre zu viel. Sie blitzte Elisa kämpferisch an.
»Rede du mit ihnen, sonst schlag ich Piet van Ween noch tot! Komm, Eli!«
Amala wandte sich zum Gehen, als Elisa siedend heià etwas einfiel. »Ulani, wir müssen uns um Ulani kümmern!«
Ãber all der Aufregung hatte sie ihre kleine Patientin vergessen, obwohl ihr das Wohl von Ulani und ihren Brüdern sehr am Herzen lag, seit die drei Waisenkinder unterernährt und fiebrig im Dorf angekommen waren. Durch Elisas liebevolle Pflege waren die beiden Jungs inzwischen wieder gesund. Die groÃe Schwester hingegen hatte immer noch Fieber und einen besonders hartnäckigen Husten.
Elisa griff nach Amalas Arm.
»Bitte sieh nach Ulani. Sage ihr, dass sie nicht aus ihrer Hütte kommen darf, solange die Polizisten noch hier sind. Ich sehe später nach ihr. Und hier ⦠bitte verstecke auch die Wäsche besonders gut. Es ist etwas darinnen â¦Â«
»Gib schon her ⦠Braucht Wasser, oder?«
Amala stapfte mit der verbotenen Pflanze in der Wäsche davon, während Elisa mit Eli die Ankunft der Männer erwartete.
Nachdem sie die Wäsche und die verbotenen Pflanzen gut versteckt hatte, ging Amala eilig durchs Dorf. Mit Elisa teilte sie sich seit nunmehr einer Woche die Pflege des zehnjährigen Waisenmädchens mit der ungewöhnlich hellen Haut. Als Kahuna hatte Elisa in ihren Jahren auf Maui viel Wissen über Krankheiten angesammelt, aber Amala war ebenfalls versiert in der Krankenpflege. Und für sie würde Elisa nie nur die Haifischfrau sein. Ihre Freundin war auch ein Abkömmling des verhassten Plantagenbesitzers Paul Vogel, ihres ehemaligen Dienstherren. Sie mochte Elisa und liebte sie vielleicht sogar wie eine kleine Schwester, doch war sie immer auch ein wenig auf der Hut.
An einem Tag wie heute, an dem die WeiÃen wieder einmal uneingeladen in ihr Dorf kamen, um Ãrger zu machen, hasste Amala alle haole, und das färbte auch auf ihre Gefühle für Elisa ab. War sie wirklich ganz und gar eine von ihnen, oder brachte sie nur noch mehr weiÃes Unglück über ihr Dorf? Immer wieder brachte sie das Wissen der WeiÃen mit ins Spiel. Und warum
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