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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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schrecklichen Zustand … meinst du, du könntest ihm helfen?«
    Ihre Stimme war leise, aber bestimmt. »Ich würde alles versuchen, was in meiner Macht steht. Müsste ich für ihn töten, würde ich es tun … Aber ich liebe ihn nicht mehr wie früher … auch nicht mehr als dich.«
    In ihren Augen standen Tränen. »Trotzdem kann ich nicht zulassen, dass ihm etwas geschieht. Und seiner Frau … dem Kind. Es ist nicht richtig.«
    Johannes nickte. »Das weiß ich. Und sie tun mir aus tiefstem Herzen leid. Aber du musst an deine Kinder denken, an deine Familie. Wie geht es den Zwillingen … und … war es wirklich ein Sohn?«
    Elisa sah die erschöpfte Traurigkeit in seinem Blick und schmiegte sich einen Moment tröstend an ihn.
    Â»Ich wollte ihn auf die Welt bringen, das weißt du … das hat der Doktor dir gesagt, nicht wahr? Und auch, dass er ein Kahuna-Junge war, ein ganz besonderes Geschenk …? Das hat der Doktor natürlich verschwiegen.«
    Johannes warf ihr einen zweifelnden Blick zu. Sie wusste, wie wenig auch er von den alten Bräuchen hielt, doch sie musste weiter über die letzte Gabe des Kindes sprechen.
    Â»Es hat mir das Herz gebrochen, ihn zu verlieren, doch ich habe nach altem Ritual von ihm Abschied genommen, und dabei hat er mir die Bilder gezeigt. Es waren sehr konkrete Bilder eines baldigen Krieges in unserer alten Heimat, der sich für Jahre über die ganze Welt ausbreiten wird. Sie waren schrecklich, meine Visionen, aber ich spürte in ihnen auch meine tiefe Verbundenheit zu Deutschland … und zu dir. Du bist das einzige Deutschland, das ich noch habe …«
    Eigenartig berührt sah er sie an. In einer Geste fast brüderlicher Verbundenheit strich er ihr das wirre Haar aus dem Gesicht und glättete es.
    Â»Komm, dreh dich um, ich flechte dir einen Zopf …«
    Â»Das kannst du nicht …«
    Â»Meine Mutter hat es mir beigebracht, als wir noch in Deutschland im Haus deiner Großmutter lebten. Jeden Morgen, bevor sie zur Arbeit musste, habe ich ihr in unserer kleinen Kammer den Zopf geflochten. Ich kann es gut …«
    Elisa drehte sich um, und er begann zu flechten, während sie ihm ihre innersten Ängste anvertraute.
    Â»Was ist, wenn es wahr ist und es in drei Jahren hier einen Krieg gibt – wo gehören wir beide dann hin? Fühlst du dich als Amerikaner? Und was geschieht mit den Hawaiianern, die jetzt hier in den Gefängnissen und Krankenhäusern nur noch von Amerikanern verwaltet werden? Wer sind sie?«
    Â»Sie müssen Amerikaner sein, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Doch für uns Deutsche ist es anders …«
    Â»Dann glaubst du mir also, dass es Krieg geben wird?«
    Â»Lili’uokalani glaubt dir, nicht wahr?«
    Â»Sie hat viele Verbindungen nach Europa, mehr noch als in Amerika. In England, Frankreich und auch in Deutschland gibt es bereits seit längerer Zeit warnende Stimmen …«
    Der Zopf war fertig, und sie ließ zu, dass er sanft seine Hand auf ihre legte, während er weiter mit ihr sprach.
    Â»Du zitterst. Komm, trink ein Glas Wasser und ruh dich hier aus, bevor wir überlegen, wie es für Kelii weitergehen kann … was wir überhaupt noch tun können.«
    Seine Berührung tat gut. Elisa schloss für einen Moment ihre brennenden Augen. Wohltuende Dunkelheit umfing sie, als sie sich erschöpft auf den Besucherstuhl niederließ, den er ihr hinschob. Durstig trank sie aus dem Glas, das er ihr an die Lippen hielt. Die ganze Nacht über hatte sie Briefe verfasst, und auch an diesem Morgen hatte sie noch nichts zu sich genommen. Zudem spürte sie, wie der Schlaf in ihre Glieder kroch und von ihrem Körper Besitz nahm.
    Gierig leerte sie den Inhalt eines zweiten und dritten Glases, das er ihr aus der Kristallkaraffe einschenkte, während er leise mit ihr sprach.
    Â»Du könntest Kelii und Okelani vielleicht helfen, doch es wird nicht einfach werden … Sobald das schwarze Boot mit ihnen abgelegt hat, ist es zu spät. Nur vorher noch könnten wir ihnen Perlen geben, Gold oder andere Wertsachen, mit denen es ihnen in der Leprakolonie vielleicht ein wenig besser geht … Sie könnten sich damit bessere Lebensmittel leisten, ein Dach über dem Kopf … Nur freikaufen können wir sie nicht. Das hat der Doktor unmissverständlich klargemacht. Bis jetzt haben nur Okelani und der

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