Insel der schwarzen Perlen
hervor, das Meer lag einladend vor ihr, als hätten die stürmischen Monate, die hinter Keanu und ihr lagen, nie existiert. Doch das stimmte nicht.
Gefühle und Leidenschaft waren zwar starke Pfeiler ihrer Beziehung, doch es war nicht alles so einfach, wie Maja es sich erträumt hatte. Nach einem Vierteljahr auf Kauai sehnte sie sich oft nach der Geborgenheit ihrer Heimatstadt München. Sicher hing ihr schwankender Gemütszustand auch mit ihrer Schwangerschaft zusammen, doch das war nicht alles. Ihre euphorische Entscheidung für den Lebensmittelpunkt Kauai hatte einige reale Dämpfer erhalten. Der Schreck über das defekte Atomkraftwerk Fukushima steckte ihr noch immer in den Knochen. Mitten in der Nacht waren sie evakuiert worden und mussten in einer Turnhalle in Hanalei schlafen, weil eine Springflut vor der Na-Pali-Küste befürchtet wurde.
Doch die unberechenbare Natur auf einer Insel inmitten des riesigen Pazifiks war nicht das Einzige, was Angst machte, Maja befürchtete auch, auf Dauer ihr Heimweh nach München nicht in den Griff zu bekommen. Schuld daran war ein Brief von Johannes an Elisa.
Liebe Elisa,
danke für deine berührenden Zeilen.
Sie haben mich wie immer tief bewegt. Aber auch wenn ich Deinen momentanen Wunsch, für immer nach Deutschland und vor allem in Dein geliebtes Hamburg zurückzukehren, verstehen kann, so muss ich warnen. Nach Einschätzung einiger Geschäftspartner steht uns ein zweiter Krieg bevor. Und auch wenn ich viel darum geben würde, dich endlich wieder in die Arme zu schlieÃen, muss ich dir als dein bester Freund und Vertrauter dringend abraten. Sei von Herzen umarmt. Für immer dein
Johannes van Ween, Hamburg 1933
Die weiteren Briefe an Elisa, die bei den Fotos lagen, waren ebenfalls von Johannes. Auch Elisas Freund hatte zeitlebens mit Vorurteilen der Hawaiianer zu kämpfen. Mit Leilani hatte er früh eine Tochter aus hawaiischem Adel geheiratet, doch seine Ehe war, wenn man die Briefe las, nicht von dauerhaftem Glück gesegnet. Johannesâ Kinder fühlten sich weder in der einen noch in der anderen Kultur wirklich zu Hause, und er kehrte schlieÃlich nach Deutschland zurück.
Jeder Tag öffnete Maja mehr die Augen. Weder im Jahr 1900 noch im Jahr 2011 war Hawaii das Paradies, das sie sich mit ihrer rosaroten Brille vorgestellt hatte. Sie würde für ihr Glück kämpfen müssen, so wie auch Elisa es getan hat.
Das laute Knacken von Zweigen riss sie aus ihren Gedanken. Nervös sah sie sich um. Immer wieder hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden, und einmal hatte Keanu wegen ihr das gesamte Grundstück absuchen müssen. Als er das letzte Mal von einer Kurzreise zurückkam, hatte er ihr seine Waffe angeboten, wenn sie alleine im Haus war. Er fand, sie sollte schieÃen lernen. Wenn man so weit auÃerhalb wohnte wie auf Applerock, sei das normal. Man müsste sich notfalls verteidigen können.
Sie hatte versprochen, darüber nachzudenken, aber das Thema von sich aus nicht wieder aufgegriffen. Vor Waffen hatte sie Angst. Immer wenn Keanu zu seinen Besuchen auf den anderen Inseln aufbrach, packte er seine Waffe, die sonst neben seinem Kopfkissen lag, in seinen Rucksack. Sie sei für den Notfall, denn er hätte in seinem Job auch in unsicheren Gegenden mit hoher Kriminalitätsrate zu tun, erklärte er ihr, so als sei es normal, im hiesigen Schulwesen eine Waffe zu brauchen.
Eine seiner Aufgaben war, Kinder, die ohne Entschuldigung mehrere Monate dem Unterricht fernblieben, aufzufinden und wieder in ihre Klassen zu bringen.
Maja wusste, dass das nur die halbe Wahrheit war, doch ihre weiteren Fragen hatte er mit Scherzen quittiert. Die Ãngste der Deutschen vor Handfeuerwaffen fand er übertrieben. Sie empfand es nach wie vor als schwierig, von ihm über einen Teil seiner Arbeit mit Absicht im Dunkeln gelassen zu werden. Offiziell arbeitete er im Schulwesen, so hatte sie ihn auf dem Seminar in Nizza kennengelernt. Für das Lösen unlösbarer Probleme zwischen WeiÃen und Hawaiianern, auch in den Schulen, erhielt er einen monatlichen Scheck, von dem sie gut ihre Rechnungen bezahlen konnten. Er hatte eine gehobene Stellung und beriet auf allen Inseln Hawaiis. Fast immer hatte er zusätzlich noch Sitzungen auf Big Island oder auf Oahu, um die politischen Aktionen der Königstreuen zu betreuen. War es eine gröÃere Sache, hing er von morgens bis abends am
Weitere Kostenlose Bücher