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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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möglichen Spätschäden einer Reaktorkatastrophe, wie Maja annahm, denn verstehen konnte sie nur wenige Brocken. Auf Ni’ihau wurde grundsätzlich hawaiisch gesprochen.
    Sie ging ein paar Schritte, um die Insel alleine zu erkunden. Im Gegensatz zu Kauais schillerndem Grün und den fruchtbaren Bergen war Ni’ihau eine erdfarbene Felseninsel mit wenig Vegetation. Die traditionell gedeckten Hütten aus Lehm oder Zweigen waren mit Steinmauern umgeben, ein Anblick aus der guten alten Zeit, den es auf Kauai nur noch in den musealen Dörfern für Touristen gab. Hier gab es auch keine Straßen, sondern nur Wege aus roter Erde, die von Hufen und Füßen festgetreten war. Keine Autos oder Motorräder fuhren hier, sondern nur Pferde sah sie.
    Es war Mittagszeit, die Sonne stand hoch, doch ein kühler Wind wehte den erdigen Staub durch die Luft, als Maja begann, von dem Dorf Pu’uwai auf einem der roten Wege ins Innere der Insel zu laufen. Sie ging auf die Felsen zu. Um sie herum war es ruhig. Die Kinder hatte Maja zwar in ihrer Zwergenschule kurz besucht, doch dann begann der Unterricht, und sie wollte nicht stören.
    Von ihrem erhöhten Standpunkt aus sah Maja jetzt das Boot ablegen, das auch Keanu und sie am Abend wieder abholen würde. Kein einziger Fahrgast war an Bord. Überhaupt war es sehr ruhig auf dieser kleinen Insel, fast schon gespenstisch, da keinerlei Motorengeräusche zu hören waren. Und je weiter sie sich von dem Steindorf entfernte, desto stiller wurde es. Nicht einmal das Meer konnte sie noch hören, kaum ein Vogel zwitscherte zur Mittagszeit. Nur ihren eigenen Atem hörte sie. Die Zeit stand hier auf eine merkwürdige Art still, selbst die Geckos vor ihr auf den roten Felsen bewegten sich wie in Zeitlupe. Oder kam es Maja nur so vor? War es die brennende Frühlingssonne, die ihre Sinne beeinträchtigte?
    Um sie herum war es jetzt so still, dass es in ihren Ohren laut wurde. Dann wurde ihr schwindelig, und sie musste sich kurz auf einen der flachen roten Felsen setzen, um sich auszuruhen. Ein Gecko, der anscheinend nicht die geringste Angst vor Menschen hatte, saß zu ihren Füßen, sah sie eine Weile lang neugierig an und verschwand dann unter ihrem Stein im Schatten. Die Sonne brannte und Maja ärgerte sich kurz darüber, keinen Hut oder zumindest ein schützendes Tuch mitgenommen zu haben. Mittlerweile fiel ihr selbst das Sitzen schwer, weil sie so unendlich müde war, dass ihr jetzt immerzu die Augen zufielen. Schlafen, nur schlafen wollte sie und legte sich auf die rote weiche Erde neben dem Stein. Mit dem Gedanken an den Gecko, der ihr doch gewiss nicht über das Gesicht laufen würde, schloss sie ihre Augen. Da begann es. In der Stille glaubte Maja, die Atemzüge eines anderen Menschen zu hören. Kurz darauf fühlte sie Elisas Präsenz dicht neben sich und hörte ein leises Flüstern. Spielte ihre Erschöpfung Maja einen Streich?
    Â»Sei vorsichtig«, sagte das fast unhörbare Flüstern. »Nimm dich in Acht. Du bist keine von ihnen, vergiss das nicht, aber du bist auch keine Weiße … du musst deine Wurzeln suchen, wenn du deinem Baby ein Zuhause geben willst.« Danach schlief Maja in der sengenden Mittagssonne ein.
    Am Nachmittag, auf der Rückfahrt mit dem Boot, hatte Maja bereits einen üblen Sonnenbrand. Doch das war nicht der Grund, warum sie sich kurz vor der Küste Kauais heftig mit Keanu stritt. Er hatte sie wieder einmal damit aufgezogen, dass sie doch sehr deutsch sei, weil sie ihre Wahrnehmungen auf Ni’ihau sofort auf Zukunftstauglichkeit hin analysiert hatte. Vor allem in Bezug auf die Beschulung der Kinder, die zwar Kochen, das Knüpfen von Muschelketten und die traditionellen Tänze lernten, aber wahrscheinlich in der Welt da draußen nur wenig Chancen auf einen Studienplatz haben würden, hatte er sie unnötig scharf zurechtgewiesen, wie sie fand. Und mit einem Mal platzte ihr die Hutschnur, und sie warf ihrem Liebsten im Boot schreckliche Dinge an den Kopf, während der Kapitän taktvoller Weise so tat, als wäre er taub.
    Ni’ihau würde ihr wie ein Zoo vorkommen, hatte sie lautstark gegen den Dieselmotor angeschrien. Diese Menschen würden vor der Welt beschützt werden, weil sie Ureinwohner von reinem Blut waren, und das sei Rassismus. Sie wünschte sich von Keanu, er würde sich von solchen Gedanken befreien und tiefer in die Menschen

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