Insel der schwarzen Perlen
begann, Jansons Taten aufzulisten, als Johannes sie streng unterbrach.
»Deine Worte sind gefährlich. Auch bei uns haben die Wände Ohren. Ein Gefängnis in Oahu ist kein sicherer Ort. Denk an Kelii, denk an deine Kinder!«
Johannes und Leilani hatten recht. Elisa konnte sich auf Dauer keinen Krieg mit Janson leisten. Ihrem Mann, ihren Kindern und Schützlingen, ebenfalls Amala und ihrem Dorf war sie es schuldig, sich für Frieden und Milde zu entscheiden. Ihren Hass musste sie verbergen.
»Denk immer daran, was unser Herrgott sagt: Vergebung ist der einzige Weg. Andere Frauen mussten noch viel mehr erleiden und müssen es weiterhin jede Nacht in ihrem Ehebett. Die Lust der Männer ist etwas Bestialisches â¦Â«
Leilani war ebenfalls sehr aktiv in der Lutheranischen Kirche von Lihue, an die Elisa sich mit ihrer Familie angeschlossen hatte. Sie war eine leidenschaftliche Christin, und bis zu dem Gespräch über die bestialischen Lüste der Männer hatte Elisa auch stets angenommen, ihr Eheleben sei glücklich und erfüllt. Doch mit der Zeit lernte sie auf die Zwischentöne zu hören. Immer mehr kam sie hinter die Verlogenheit der christlichen Gemeinde.
»Lust ist ein Werkzeug des Teufels â¦Â«
Johannes hatte Elisa die Worte mit einem Zwinkern zugeraunt, als Leilani sich wieder einmal mit Migräne früh von einem gemeinsamen Abendessen zurückgezogen hatte.
»Darin ist sich meine Frau übrigens mit deiner Mutter einig ⦠Sie reden bei ihren Treffen ausgiebig darüber.«
So erfuhr Elisa, dass Leilani auch gelegentlichen Kontakt zu Elisas Mutter und ihrem Mann Fried pflegte.
»Ich tue das doch vor allem für dich, Elisa! Es ist meine christliche Aufgabe, über die tiefe Kluft, die meine liebe Freundin Elisa vom Rest ihrer Familie trennt, eine Brücke aus Frieden und Vergebung zu bauen â¦Â«
Elisa war Johannes und Leilani dankbar. AuÃerhalb des Dorfes waren sie in den letzten Jahren ihre besten Freunde. Auch ihretwegen wollte sie sich heute bei dem Gespräch mit Janson Mühe geben.
»Vergib Janson endlich, was er dir angetan hat. Dann kann deine Mutter dich wieder in ihre Arme schlieÃen ⦠hier!«
Einen Brief von Clementia, versiegelt mit dem adeligen Rot, hatte Leilani ihr beim Abschied in die Hand gedrückt und sie auf beide Wangen geküsst.
»Hoâopomaikaâi, kaikaina! Sei gesegnet, kleine Schwester.«
Der Brief ihrer Mutter steckte tief in der Tasche ihres ausladenden Rockes. Sie würde ihn erst später öffnen. Auch Johannes hatte ihr heute einen kleinen Talisman zugesteckt. Es war ein Glücksschweinchen, das er vor langer Zeit selber geschnitzt hatte. Er hatte ihr zugezwinkert.
»WeiÃt du noch?«
Natürlich wusste sie, wie konnte sie es vergessen. An dem Tag, als sie sich unter dem Busch mit den roten Jasminblüten zum ersten Mal länger unterhalten hatten, hatte er sein Schnitzmesser dabei. Mehr als zehn Jahre waren seither vergangen.
Sie war dankbar für die Freundschaft des Paares, doch wirklich glücklich konnte ihre Ehe nicht sein. Würde Johannes sie sonst ebenfalls begehren?
Leilani war eine Schönheit, ihr Wesen so sanft und gütig wie eine Hibiskusblüte im Frühlingswind, doch Johannes war oft gereizt. Obwohl Elisa öfter bei ihnen zu Gast war, kam er ihr nie wieder so nah wie in seinem Kontor, doch Elisa spürte seine Unruhe. Und seit die kleine Rosa auf der Welt war, schien er ihr sogar bisweilen verzweifelt zu sein.
»Auch Rosa wird den Preis unserer Mischehe bezahlen, egal wie oft Leilani betet und wie viele Deckchen sie für den Kirchenbasar bestickt â¦Â«
Johannes und sie hatten darüber gesprochen, wie Kinder aus gemischten Ehen auf Kauai behandelt wurden. Thomas und Elisabeth, die älteren Kinder des Paares, waren in Elis und Victorias Alter, hatten es aber schwerer mit Freunden. Der hübsche Zehnjährige und die kluge Achtjährige gehörten weder zu den Hawaiianern noch zu den WeiÃen. Ab einem gewissen Alter spielte vor allem Victoria lieber mit Kindern, die so aussahen wie sie. Ihr Vater hatte eine Zeit lang dafür gesorgt. Er wollte vermeiden, dass Victoria Freundschaft mit ihren Halbgeschwistern schloss.
Die Kinder der Plantagenarbeiterinnen wuchsen wild auf und hatten keinerlei Schulbildung erhalten, einige von ihnen waren schon fast erwachsen. Doch seit seiner letzten Reise aufs amerikanische
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