Insel der schwarzen Perlen
wartete die nächste Hürde. Heute würde das entscheidende Gespräch stattfinden. Da Janson ab morgen für ein paar Tage auf eine Geschäftsreise musste und Victorias Kinderfrau vor Kurzem gekündigt hatte, würde Elisa für drei Nächte im Herrenhaus wohnen. Ihr graute davor. Es war schlimm genug, dort fünf Tage die Woche zum Unterrichten zu sein. Elisa hasste das pompöse Gebäude.
Ihre frisch polierten Lederschuhe knirschten auf dem Kies. Sie waren neu und glänzten noch, auch ein passendes hübsches Kleid trug sie, speziell für den Anlass des heutigen Gesprächs. Leilani hatte darauf bestanden.
In den letzten Wochen hatte Elisa eine weitere schwarze Perle aus dem Collier ihrer Mutter umgetauscht, da ihr Lohn Extraausgaben nicht abdeckte. Sie trug in den letzten Jahren immer einfache europäische Kleidung, oft auch abgetragene Kleider von Leilani, die sie bei der Schneiderin kürzen lieà und ihrer Figur anpasste. Ihre schöne Schwägerin war einen halben Kopf gröÃer als sie.
Vor Janson wollte sie sich heute nicht wegen ihres Aussehens schämen müssen. Sie machte sich nicht viel aus Mode, doch sie hatte sich daran gewöhnt, sich den europäischen Gewohnheiten und vor allem der gängigen Mode anzupassen. Zu Hause bei den Kindern trug sie wie Amala Inselkleidung und lief barfuÃ. Meine FüÃe mögen es nicht, in geschnürte Lederschuhe eingezwängt zu sein, dachte sie mit jedem Schritt. Neue Schuhe sind am schlimmsten.
Indem sie sich dem imposanten Herrenhaus mit dem dunklen hohen Dach näherte, spürte sie, wie ihre Hände klamm wurden. Zum Glück hatte Leilani sie gut beraten. Das Kleid, das sie trug, war einfach, aber von elegantem Schnitt. Die Baumwolle in Graublau, die perfekt zu ihrer Augenfarbe passte, war mit einem zarten Spitzenkragen zu einem Tageskleid geworden, das sich auch in einem feinen Salon sehen lassen konnte. Die Schneiderin hatte es extra für sie genäht, der Stoff war eine teure Importware aus England. Elisa sah auf ihre Oberweite herunter, die fest eingeschnürt war, aber dennoch beachtliche AusmaÃe hatte. Zwar war ihre Taille wieder so schlank wie vor der Geburt der Zwillinge, aber ihre Brüste waren nie wieder so klein geworden wie in ihrer Jugend.
Das Herrenhaus sah von ferne oft unbewohnt aus, auch jetzt, da die Fensterläden am Nachmittag geschlossen waren. Elisa musste erneut an ihr heutiges Gespräch mit Leilani und Johannes denken. Ausnahmsweise war er zu Hause gewesen. Leilani schlug vor, dass Elisa es sich zumindest überlegen sollte.
»Es gibt keine Frau an Jansons Seite, weil er immer noch auf deine Liebe hofft. Du musst verstehen, dass es ihn schmerzt, wie sehr du dich ihm gegenüber verschlossen hältst, obwohl fast fünf Jahre vergangen sind â¦Â«
»Sogar über zehn Jahre sind seit der Nacht in der Höhle vergangen«, sagte Elisa. »Aber ich habe sie nicht vergessen.«
Leilani nickte, sie verstand die Freundin gut.
»Er hat sich verändert, Elisa. Janson hat es nicht nötig, Frauen Gewalt anzutun ⦠Seit er Gouverneur ist, hat er sehr viele Angebote. Manche Frauen würden ihn am liebsten auf der Stelle heiraten â¦Â«
»Hat er deshalb gerade seine Mätresse entsorgt?«
»Was meinst du damit â entsorgt?«
»Er soll sie eigenhändig aufs Boot nach Paris gebracht und sie an den Mast gefesselt haben ⦠so heiÃt es.«
Leilani sah ihren Mann über den Tellerrand scharf an. Sie schätzte es nicht, wenn er so über seinen Arbeitgeber redete, doch er fuhr unverdrossen fort.
»Man sagt, dass Janson noch fast jeden Abend eine seiner drei Grazien auf der Plantage beglückt ⦠Er soll inzwischen sechs Kinder mit ehemaligen Arbeiterinnen haben. Sind das ebenfalls bloà Gerüchte?«
Leilani hatte die Stirn gerunzelt und zugegeben, dass das mit den Arbeiterinnen wohl so sei, doch eben nur, weil Janson in tiefster Seele einsam wäre und eine gute Frau wie Elisa an seiner Seite bräuchte, um nicht auf Dauer zu verrohen.
»Denk bitte auch an Victoria. Bald wird sie eine junge Frau sein. Wie soll sie denn ihren Weg finden?«
»Sie wird sich damit abfinden müssen, wer ihr Vater ist. Ein grausamer Gouverneur, ungerecht, selbstherrlich, dazu noch brutal und gemein. Dazu ein Mann, der keinerlei Respekt vor Frauen hat, sondern sich nimmt, wonach es ihm gelüstet â¦Â«
Elisa
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