Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
Vom Netzwerk:
schenkt, sich um sie kümmert und über mehr als vier Jahre zuverlässig in ihrem Leben eine Rolle spielt. Dafür, dass es auch so blieb, hatte Elisa viel auf sich genommen. Janson hatte sie immer wieder gedemütigt, ihr damit gedroht, Kelii für immer verschwinden zu lassen und sie mit zusätzlichen Arbeiten beladen, bis sie vor Erschöpfung beinahe zusammengebrochen war. Erst im letzten Jahr war es besser geworden, warum, wusste Elisa nicht. Sie nahm alles hin, weil sie keine Wahl hatte. Sie hatte versprochen, all die, die sie liebte, zu beschützen.
    Und Elisa liebte auch Victoria mehr und mehr. Es waren gute Jahre. In dieser Hinsicht war sie Janson sogar dankbar. Sie hatte ihre Tochter lieben und halten dürfen, über Jahre hinweg, und sehr viel aufgeholt. Ihre Älteste war ihr ans Herz gewachsen. Und auch Victoria liebte Elisa.
    Â»Sie sehen heute sehr hübsch aus, Fräulein Vogel.«
    Â»Danke, Victoria, du ebenfalls … das neue Kleid, das wir dir ausgesucht haben, passt gut zur Farbe deiner Locken.«
    Â»Und Ihr Kleid passt gut zu Ihren schönen Augen!«
    Gegenseitig machten sie sich noch ein paar Komplimente und lachten dabei, wie sie es oft taten, wenn sie alleine waren. Sie lächelten sich an, weil sie sich mochten.
    Â»Weißt du noch, als du klein warst …«
    Dieses Spiel mochten sie besonders. Es war anfangs nicht so, dass Victoria und Elisa sich besonders leiden konnten.
    Â»Wir waren wie Hund und Katze …«
    Â»Du warst der Hund …«
    Â»Und Sie waren die Katze!«
    Als Elisa die Stelle der Gouvernante 1901 übernahm, war Victoria unglücklich und einsam. Zunächst hatte sie sich gegen Elisa gewehrt, sie war schon die dritte Gouvernante in diesem Jahr. Doch Elisa gewann langsam ihr Vertrauen, indem sie Victoria in ihr Herz schloss und genauso sehr liebte wie ihre anderen Kinder.
    Nach einer Weile war es ihr auch nicht mehr wichtig, ob Victoria wusste, wer sie in Wirklichkeit war. Elisa wollte dem kleinen Mädchen geben, was sie seit ihrer Geburt für es in ihrem Herzen gespeichert hatte.
    Â»Machst du mir meine Zöpfe?«
    Selbstverständlich setzte sich Victoria mit ihren fast elf Jahren noch auf Elisas Schoß, um sich die Haare flechten zu lassen. Ein Ritual, bei dem sie ihr nahe sein konnte, obwohl sie eigentlich schon zu groß dafür war.
    Während Elisa ihren Kamm aus der Tasche holte und die Locken des Mädchens bändigte, erzählten sie sich, wie sie das Wochenende verbracht hatten. Victoria hatte ihrem Vater beim Packen geholfen, er musste auf eine Geschäftsreise und sie freute sich schon darauf, dass Elisa in der Zeit bei ihr im Haus wohnen würde. Auch war sie gespannt auf die neue Plantagenschule, die in der Siedlung der Arbeiter gerade gebaut wurde.
    Â»Stimmt es, dass die Kinder, auf die Sie aufpassen, dann bei den Arbeitern wohnen werden?«
    Â»Wir alle werden dort wohnen. Dein Vater hat uns ein schönes großes Haus zur Verfügung gestellt, gleich neben der neuen Schule.«
    Â»Dann werde ich sie alle kennenlernen, nicht wahr? Eli, Ulani, Ikaika, Kanoa, so heißen doch Ulanis Brüder?«
    Â»Das ist richtig. Und dann gibt es noch die Zwillinge …«
    Â»Gerd und Emma«, kam es prompt. »Schade, dass ich nicht mit ihnen spielen kann. Wirklich schade …«
    Elisa nickte. »Heute Abend werden alle mit der Kutsche hier ankommen. Mit meiner Freundin Amala zusammen werde ich alles einrichten. Bestimmt darfst du uns dort besuchen …«
    Â»Ich darf nicht mit den Arbeiterkindern spielen … nur mit den weißen Kindern soll ich von nun an spielen … Soll ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen? Das Zimmer, in dem Sie schlafen werden, wenn mein Vater weg ist, ist sehr schön.«
    Elisa nickte, und Victorias fertige Zöpfe wippten fröhlich, als sie vor Elisa die Treppe hinaufhüpfte und sie durch eine Tür, die Elisa vorher nie aufgefallen war, in den hinteren Teil des Gebäudes führte. Dort war das alte Herrenhaus, vor mehr als vierzig Jahren gebaut, jetzt Gästetrakt.
    Kurze Zeit später stand Elisa alleine in dem Zimmer, in das sie Victoria geführt hatte. Ihr Vater hatte sie von einem der Hausmädchen zu sich rufen lassen, und nach einer kurzen Umarmung war Victoria verschwunden. Elisa war allein.
    Mit einem Mal fiel ihr der Brief ihrer Mutter ein, den sie von Leilani zugesteckt bekommen hatte, und sie zog ihn aus ihrer Rocktasche.

Weitere Kostenlose Bücher