Insel der schwarzen Perlen
Zeichen dafür, dass sie für heute genug hatte. Keanu nahm ihr die Waffe ab und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn.
»Na gut, wir hören auf. Aber nur für heute ⦠Lernen musst du es noch. In unserer Gruppe kann jeder schieÃen, auch die Frauen. Es ist nur eine Frage der Ãbung.«
Maja verzog das Gesicht, sie hatte von Haus aus eine Abneigung gegen Schusswaffen. Nur ihm zuliebe quälte sie sich mit dem Ãben, sie hatte Zweifel, ob sie im entscheidenden Moment überhaupt dazu imstande sein würde, die Waffe auf einen Angreifer zu richten, geschweige denn abzudrücken.
Keanu hatte die Dose aufgehoben und auch die anderen eingesammelt, dann verstaute er die Waffe in seinem Rucksack.
»Wir werden dir deine eigene kaufen. Du brauchst eine, die leichter ist und besser in der Hand liegt. Mit meiner brauchst du zu lange zum Zielen.« Widerspruch zwecklos. Das sah sie an seinen Augen.
Eine knappe Stunde später parkten sie den Wagen in der Rice Street in Lihue auf dem groÃen Parkplatz neben dem Museum. Kurz darauf näherte sich ein Kleinlaster, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Der abgeblätterten Aufschrift nach gehörte er einer chinesischen Wäscherei. Ein Aufkleber mit einer Marihuanapflanze und weiche hawaiische Klänge, die aus dem offenen Fenster drangen, sprachen für sich. Der ältere Mann, der ihn fuhr, war von gewaltigen AusmaÃen. Lässig grüÃte er in ihre Richtung, dann parkte er direkt neben ihnen.
Die Männer streckten die Hände aus den Fenstern und begrüÃten sich nach lokalem Ritus, ohne auszusteigen, Maja wurde mit ein paar netten Worten begrüÃt. Der Mann hatte schon von ihr gehört, er sei der Cousin eines Cousins von Mai und Sabji. Nachdem eine Weile geplaudert worden war über das wilde Wetter, die schlimmen Benzinpreise und unliebsame Besucher auf der Insel, wurde ein Gegenstand, eingewickelt in ein Handtuch, rübergereicht.
»Probier mal den Abzug ⦠keine Angst, sie ist nicht geladen. Ich will sehen, wie sie in deiner Hand liegt â¦Â«
Keanu legte Maja ihre neue Waffe in den SchoÃ.
Sie wusste nicht wirklich, was sie empfand. Von einem Mann eine Waffe geschenkt zu bekommen, mit der sie sich würde verteidigen können, war höchstens in Filmen romantisch.
Auf dem Rückweg zu ihrem Haus lag die Waffe in ihrem Schoà wie ein Fremdkörper. Worauf hatte sie sich nur mit diesem Mann eingelassen? War das wirklich ihr Leben?
Maja strich mit den Fingerkuppen vorsichtig über jeden Millimeter des Metalls, als könnte sie damit ihre Angst besänftigen. In Deutschland hatte man nur selten Waffen im Haus. Bei ihren Eltern und deren Freunden oder auch bei ihren eigenen Freunden hatte Maja nie eine Waffe gesehen. In den USA war das anders. Theoretisch wusste sie das, aber es war etwas anderes, selber eine Waffe zu besitzen.
Ob sie ihr einen Namen geben sollte, so wie sie auch ihrem Computer und ihrem Wagen Namen gegeben hatte? Ihr Computer hieà HAL , nach dem Computer aus dem Film »2001: Odyssee im Weltraum«. Ihren Wagen hatte sie Pöng genannt, weil er eigenartige Geräusche von sich gab.
Keanu sah sie prüfend von der Seite an.
»Was denkst du?«
»Nichts.«
»Glaube ich nicht.«
»Stimmt auch nicht.«
»Magst du dein neues Spielzeug?«
Maja antwortete ihm nicht. Sie musste nachdenken. Man konnte und durfte keine tödliche Waffe mögen. Aber wenn sie an den Haifischmann dachte, gab die Waffe ihr ein Gefühl von Sicherheit.
Sie strich über den Griff. Er war kleiner als der von Keanus Waffe und zierlicher gearbeitet. Obwohl auf Griff und Lauf Gebrauchsspuren waren, musste die Waffe teuer gewesen sein. Maja hatte aber nicht nach dem Preis gefragt, so wie sie es auch nicht bei einem geschenkten Schmuckstück tun würde. Doch neugierig war sie.
»Was hat sie gekostet?«
»Zweihundertfünfzig habe ich bezahlt. Die Waffe gehörte seiner Mutter, die wiederum mit Mai irgendwie verwandt ist. Es wurde damit nur einmal ein Einbrecher angeschossen, soviel ich weià ⦠eine echte Mädchenwaffe.«
Maja nickte.
»Ich werde sie Diana nennen, nach der Göttin der Jagd. Aber ich werde niemanden mit dieser Waffe jagen, sondern sie für immer in eine dunkle Schublade verbannen â¦Â«
»Das wäre mir auch am liebsten â¦Â«
Danach schwiegen beide, es war ein düsteres Schweigen.
Eine Weile
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