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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Lichtquelle zu haben. Sie musste den Wurm fangen.
    Es wurde inzwischen dunkel, doch sie wollte das Licht im Container nicht unbedingt anmachen. Sie wusste nicht, wie ein Hundertfüßler auf Licht reagierte, und wollte ihn nicht unnötig erschrecken. Weiterhin sah sie seine Füße in dem Spalt.
    Das Innere der Hütte lag im Halbschatten. Die Kerze warf ihr Licht auf das Foto der Alten. Hörte Maja sie erneut flüstern? Da war es wieder.
    Â»Kanapi, kanapi …« Dann der Singsang der Alten.
    Maja schaute gebannt zu, wie der Hundertfüßler sich in Bewegung setzte, aus seinem Spalt herauskam und wie ferngesteuert in Richtung Fenster krabbelte, wo er artig wartete. Maja sollte wohl das Fenster öffnen.
    Sie tat es, und das abstoßende Tier glitt brav hinaus. Der Singsang hörte auf. Wieder ein Kichern. Dann, als Maja das Fenster wieder schließen wollte, blies ein heftiger Windstoß eine einzelne rote Hibiskusblüte in die Hütte, sie landete auf Majas Bauch. Schnell fing sie die volle Blüte mit ihrer Hand auf, damit sie nicht zu Boden fiel. Es war ein Geschenk.
    Im schwindenden Tageslicht ging sie mit der Blüte zu der Bank an den Klippen, auf der Elisa und Kelii vor vielen Jahren gesessen hatten.
    An ihrem Lieblingsplatz ließ Maja ihren Blick über die Bucht auf das Meer hinausschweifen. Die Wellen tanzten unter tiefen Wolken, der Wind frischte auf. Immer wieder stach die Sonne durch die grauen Gebilde, die den Regen auf die Insel bringen wollten. Dann wurde es hell auf dem Meer. Für die nächsten Tage hatte der Wetterdienst Sonne angesagt, doch die Wolkenberge kämpften. In den Wellen über dem Riff der Haie glitzerte es nur kurz in Schattierungen von Orange und Dunkelgelb, wenn die Sonne einen kleinen Sieg errungen hatte.
    Maja saß auf ihrer Bank, bis das Licht fast ganz verschwunden war. Die letzten Apapane flogen auf den dunklen Felsen zu ihrer Linken heim in ihre Nester. Es wurde Nacht. Gleich würde Kelii vom Einkaufen zurückkehren. Sie würden zu Abend essen, und sie würde ihm von ihrem kleinen Sieg gegen einen Hundertfüßler erzählen. Und von Elisa und Kelii.
    Maja wusste selbst nicht warum, doch ihr liefen mit einem Mal Tränen über die Wangen. Dabei fühlte sie sich nicht traurig, im Gegenteil, sie war glücklich. Das Erlebnis mit Elisa und Kelii war unglaublich gewesen. Nicht im Traum, sondern im echten Leben hatte diese Frau aus einem anderen Jahrhundert Maja beschützt.
    Auf dem Weg zurück zur Hütte hörte sie den Wagen. Sie steckte sich die rote Hibiskusblüte hinters Ohr und ging ihrem Liebsten fröhlich entgegen.

9. Kapitel
Abschied von Kauai, 1905–1907
    Â»Fräulein Vogel, werden Sie mir vom Washington Place aus schreiben?«
    Victorias Augen waren vom Weinen rot, der Abschied fiel ihr sichtlich schwer. Viele Worte hatte Elisa für ihre Tochter in ihrem wunden Herzen, doch sie würde keines davon sagen dürfen. Janson stand hinter Victoria, die Hand auf ihrer Schulter, den Blick warnend auf Elisa gerichtet.
    Der kleine Hafen von Lihue war an diesem Morgen ruhig. Das Meer rollte in unaufgeregten, sanften Wellen gegen die Hafenmauer. Der Frachter, der Elisa und ihre Familie nach Oahu bringen würde, wurde noch mit Zuckerrohr beladen. Sie hatten Zeit bis zur Abfahrt, viel zu viel Zeit, wie Elisa fand. Ihr brach das Herz beim Anblick des Mädchens, das nur mühsam seine Tränen zurückhalten konnte. Elisa hatte Victoria nicht die Wahrheit gesagt, obwohl sie wusste, dass es nicht richtig war. Es war der Preis für ihren Abschied aus Lihue. Elisa sah ihrer Tochter ein letztes Mal in die Augen und versuchte, den Mann für einen Augenblick zu vergessen, der sie noch lange in seiner dunklen Macht haben würde.
    Â»Ich werde dir schreiben, Victoria. Aber ich habe auch etwas für dich gemacht. Eigentlich solltest du es zum Geburtstag bekommen, aber ich gebe es dir jetzt schon, damit dir der Abschied leichter fällt. Wenn du dieses kleine Täschchen bei dir hast, ist das ein wenig so, als wäre ich noch bei dir. Sieh einmal …«
    Victoria nahm die kleine selbst genähte Tasche vorsichtig in die Hand und sah sie sich an. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Auf die Tasche hatte Elisa ein Mädchen gestickt, dem eine Frau die Haare zu Zöpfen flocht. In der Tasche war eine kleine bläulich schimmernde Pfauenfeder.
    Ein letztes Mal umarmten sie sich.

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