Insel der schwarzen Perlen
war, vor allem in den Gesichtern, wurde sie selbst von den Kahuna als eine besondere Strafe der Götter gesehen. Bei dem Gedanken, dass Kelii sich angesteckt haben konnte, wurde ihr Herz so schwer wie nie zuvor.
In der Ferne schrie ein Pfau. Elisa erschrak. War es ein Zeichen? Hatte ihr Mann sich angesteckt?
»Meinst du, Kelii hat sich mit Mai Pake angesteckt?«
Elisa musste den schrecklichen Gedanken aussprechen.
Amala hörte sofort auf zu schaukeln. Energisch schüttelte sie ihren Kopf.
»So etwas darfst du noch nicht einmal denken!«
Tränen standen in ihren Augen, es waren Tränen des Zorns.
»Unsere Götter beschützen Kelii! Er ist Aliâi, einer der höchsten Aliâi von Kauai. Zwar ist sein Vater tot, und seine Schwester ist krank, aber unsere aumakua wachen über diese Familie ⦠nur â¦Â«
»Nur was?«
Amala zögerte, sie wusste nicht recht, wie sie es Elisa beibringen sollte.
»Keliis Kinder haben haole-Blut, auch die Kinder von Leilani sind nicht von reinem Blut ⦠vielleicht prüfen unsere Götter diese Familie besonders hart �«
Elisa schluckte, erwiderte aber nichts. Sie wusste, was Amala meinte. So wie ihre Freundin dachten viele königstreue Hawaiianer. Die Menschen hier hatten viele Generationen glücklich unter den lokalen Aliâi gelebt. Amalas Eltern, GroÃeltern und viele Generationen von Vorfahren waren gut mit den Inselgöttern ausgekommen. Erst seit mit Kapitän Cook die WeiÃen gelandet waren und das Christentum mit sich gebracht hatten, wurde alles anders. Der Fluch, der über den Inseln Hawaiis lag, wurde als ein Ringen der Götter interpretiert.
»Unsere Feuer-Pele mag euren Jesus eben nicht. Euer Gott ist ihr zu blass und zu mager ⦠und er lieà sich an ein Kreuz nageln! Was für ein Krieger lässt so etwas zu? Unsere Krieger stürzen sich eher vom höchsten Felsen ins Meer, als sich von Gegnern fangen und foltern zu lassen â¦Â«
Bisweilen sprachen Elisa und Amala vor dem Schlafengehen über Religion, manchmal zankten sie sich auch humorvoll über ihre unterschiedlichen Sichtweisen. Heute jedoch wollte Elisa nicht reden. Auch Amala wollte mit ihrem Abschiedsschmerz allein sein, das spürte sie. Die Freundin wiegte sich im Mondlicht im Schaukelstuhl hin und her und summte ein Lied in ihrer Sprache.
Elisa verlieà die Veranda, die Lanai, und ging tiefer in den Garten. Sie sah hoch zu den Sternen und sprach ein stummes Gebet. Was sie sich an diesem Abend am meisten wünschte, mehr noch als ihrem Liebsten in diesem Moment nahe zu sein, war eine Zukunft als Familie. Dazu gehörten alle ihre Kinder und Schützlinge, ihre Freundin Amala, aber auch ihre älteste Tochter Victoria. Besonders das Mädchen schloss sie in ihr Gebet mit ein. Sie wünschte es sich so sehr.
»Elisa?«
Sie erschrak. Wie lange stand Johannes schon unter dem Baum und beobachtete sie? Hatte er ihre Tränen gesehen?
Als er näher kam, konnte sie sehen, wie traurig und ernst er aussah.
»Bevor du auf das Schiff nach Honolulu steigst, muss ich noch einmal mit dir reden â¦Â«
Elisa erschrak. Sie war erst kürzlich bei ihm im Kontor gewesen, doch Johannes sah in dieser Nacht noch schlechter aus. Hatte sich Rosas Zustand weiter verschlimmert? So war es, und inzwischen wussten sie, was für eine schreckliche Krankheit sie hatte.
»Mai Pake ⦠der Doktor hat es vorhin bestätigt. Doch nicht nur Rosa, sondern auch vielleicht meine Leilani.«
»Nein! Das kann nicht sein, es darf einfach nicht wahr sein! Der Doktor muss sich irren!«
Elisa fühlte, wie alles Leben aus ihr wich. Sie musste und wollte sich daran festhalten, dass es ein Irrtum war. Nicht Leilani und ihr Baby, nicht ihre geliebte Schwägerin, der sie im letzten Jahr so viel zu verdanken hatte.
Johannes sah sie unendlich traurig an. Er stand so nah bei ihr, dass sie seinen männlichen Geruch wahrnehmen konnte. Er erinnerte sie an ihren Vater. Seine stattlichen Schultern und sein festes Kinn, das in diesem Augenblick bebte.
»Leilani braucht jetzt deine Hilfe, Elisa ⦠wir brauchen deine Hilfe. Ich habe ⦠ich habe nicht die Kraft ⦠bitte geh nicht fort. Lass mich nicht allein. Bitte ⦠bleib.«
Seine Stimme war leise geworden, sie ging im nächtlichen Zirpen der Grillen unter und erstarb. Beide hatten sie keine Worte für das Grauen, das nach ihnen
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