Insel der schwarzen Perlen
musste.
»Es geht um die Perle ⦠die Perle, die mein Bruder angeblich gestohlen haben soll.«
Elisa konnte sehen, wie schwer es für Leilani war, ihr in die Augen zu sehen, als sie zögernd weitersprach.
»Ich ⦠ich war es nicht alleine. Ich war sogar dagegen. Kelii ist mein Bruder! Dann haben sie abgestimmt, alle, die an diesem Tag bei der Versammlung waren ⦠haben dagegen gestimmt. Sie waren gegen euch als Paar ⦠wegen der Sitten.«
»Wer hat abgestimmt? Sag mir die Namen!«
Mit schwacher Stimme begann Leilani eine Reihe von Namen aufzuzählen. Es waren alles Mitglieder der besseren Gesellschaft: Plantagenbesitzer, vermögende Händler, auch der Apotheker und der Pfarrer waren darunter. Einige kannte Elisa nicht persönlich, wusste aber, wer sie waren. Die einflussreichsten Persönlichkeiten auf Kauai stammten von den ersten Missionaren ab, andere hatten sich später mit Vermögen eingekauft. Elisas Onkel war mit seiner Frau unter den Genannten, auch Elisas Mutter und ihr Mann Fried. Selbst Piet van Ween gehörte mit seiner Frau dazu, obwohl er nicht sehr vermögend war. Johannes war ebenfalls dabei. Er war nicht der Einzige, der eine Hawaiianerin aus Adelskreisen zur Frau genommen hatte. Es waren drei gemischte Paare.
»Wir drei Aliâi Frauen stimmten natürlich dagegen. Johannes ebenfalls â¦Â«
Leilani hatte erneut begonnen zu weinen.
»Aber dann haben sie uns überzeugt. Sie haben gegen dich gehetzt, Elisa. Eine weiÃe Frau wie du würde Schande über alle WeiÃen bringen, aber auch über alle christlichen Frauen auf der Insel.«
In Elisas Kopf rauschte es laut und schmerzhaft. Wie so oft, wenn etwas geschah, das sie gänzlich aus dem Gleichgewicht brachte. Alles war von langer Hand vorbereitet gewesen. Piet van Ween war nicht von alleine auf die Idee gekommen, die Perle in ihrer Hütte zu verstecken. Leilanis Schluchzer machten es schwer, ihre einzelnen Worte zu verstehen, doch Elisa erfasste den Sinn. Es gab eine Abstimmung und danach einen Plan, wie man Kelii und sie für immer trennen konnte. Auch Leilani und die beiden anderen Aliâi-Frauen hatte man überzeugen können.
»Kelii verlor durch dich an Einfluss, Elisa! Du warst keine von uns, würdest nie eine sein, dachte ich ⦠und ich hatte unrecht. So oft habe ich es seitdem bereut ⦠wollte mit dir reden, dich um Verzeihung bitten. Doch dann â¦Â«
»⦠war es für Johannesâ Laufbahn besser, wenn ich die gehorsame Dienerin des Gouverneurs blieb ⦠oder gar seine Ehefrau wurde.«
Leilani tastet mit ihrer fieberheiÃen Hand nach Elisas und versuchte, sich erneut halb aufzusetzen.
»Ich hatte unrecht ⦠aber ich habe mich auch überzeugen lassen ⦠von der Frau, die behauptete, dich am allerbesten von allen Menschen auf der Welt zu kennen. Sie haben ihr alle zugehört, alle! Glaube mir, kleine Schwester, diese Frau will dir nichts Gutes.«
Eisig sank die Erkenntnis ein, so kalt und erbarmungslos wie die Fluten, die ihr bei ihrer Ankunft auf Kauai vor fast zehn Jahren nach dem Leben trachteten. Ihre Mutter hatte sie verraten.
Um die Mittagszeit, als die Sonne am höchsten stand und das Krankenzimmer nach süÃer Schwüle roch, flog Rosas Seele zum Himmel. Wieder hörte Elisa einen Pfau schreien, drei Mal schickte er seinen Salut. Die Kleine hatte es geschafft, ihren zerstörten Körper zu verlassen. Ein blaues Licht erschien kurz vor der Sonne, drehte sich wie ein Kreisel und verschwand.
Die Frauen hatten ihr Bestes getan, Rosas Reise mit Gebeten und guten Wünschen zu begleiten. Danach war Leilani in einen tiefen Schlaf verfallen. Wie eine Tote lag sie da.
Mit Johannes wusch Elisa den kleinen Körper und salbte ihn. Dann zogen sie Rosa ein weiÃes Kleidchen an. Ihre traurigen Geschwister kamen und brachten Blumenketten an die Tür. Ins Krankenzimmer durften sie nicht, ihr Vater erlaubte es nicht. Das Haus stand unter Quarantäne.
Der britische Doktor kam. Er bat Elisa um ein Gespräch unter vier Augen. Es ging nicht etwa um die Ansteckungsgefahr, sondern um die verbotene Pflanze. Mit einem Lächeln log sie ihm ins Gesicht. Schon lange hätte sie die Behandlung mit verbotenen Substanzen aufgegeben.
Danach betete Elisa darum, der Doktor würde sich Rosas Körper nicht allzu gründlich ansehen, bevor er den Totenschein unterschrieb. In einem unbeobachteten
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