Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
auseinander, sondern trennten sich nur widerwillig, um sich ihm Hand in Hand zuzuwenden.
»Wir haben Gäste im Haus, Jo Ellen, und solch eine Sondervorstellung ist nicht im Preis inbegriffen.«
Überrascht blickte Jo ihn an. »Okay, Daddy.«
»Wenn ihr euren Gefühlen freien Lauf lassen wollt, dann tut das bitte dort, wo euch nicht die halbe Insel zusehen kann.«
Mit Mühe unterdrückte Jo ein Kichern, senkte den Blick zu Boden und nickte gehorsam. »Jawohl, Sir.«
Sam stellte sich gerade hin und sah Nathan an. »Ich nehme an, Sie sind alt genug, um zu wissen, was Sie tun.«
Nathan deutete Jos warnenden Händedruck richtig und folgte ihrem Beispiel. »Ja, Sir«, erwiderte er in respektvollem Ton.
Zufrieden mit den Antworten blickte Sam mit gerunzelter Stirn zum Himmel hoch. »Sturm im Anzug«, murmelte er. »Wird uns besuchen, egal, was die Wetterfrösche behaupten.«
Jo begriff, daß er Konversation betrieb. »Carla ist Kategorie zwei und auf dem Weg nach Kuba. Sie sagen, daß sie sich wahrscheinlich raus aufs Meer verzieht.«
»Sie wird sich nicht drum kümmern, was sie sagen. Sie wird tun, was ihr gefällt.« Er sah Nathan wieder an und musterte ihn. »In New York sind Wirbelstürme ziemlich selten, nehme ich an.«
War das eine Herausforderung? fragte sich Nathan. Ein kleiner Stich, um seine Männlichkeit zu testen?
»Nein, aber ich war in Cozumel, als Gilbert dort sein Unwesen getrieben hat.« Er hätte fast den Tornado erwähnt, den er über Oklahoma hatte hinwegrasen sehen, und die Lawine, die an seinem Chalet vorbei zu Tal gedonnert war, als er in der Schweiz gearbeitet hatte.
»Dann wissen Sie ja Bescheid«, sagte Sam. »Ich habe gehört, daß Sie zusammen mit Giff an dem Sonnenraum arbeiten, auf den Kate so scharf ist.«
»Es ist Giffs Auftrag. Ich steuere nur ein paar Ideen bei.«
»Scheint, als hätten Sie Ideen genug. Erklärt mir doch mal, was ihr aus meinem Haus machen wollt.«
»Das mache ich gern.«
»Gut. Jo Ellen, ich nehme an, dein junger Mann rechnet mit einer Einladung zum Abendessen. Sag Brian Bescheid, daß er einen hungrigen Magen mehr zu füllen hat.«
Jo öffnete den Mund, aber ihr Vater hatte sich schon abgewandt. Ihr blieb nichts anderes übrig, als Nathan einen kurzen Blick zuzuwerfen und zum Haus zu gehen.
Als sie die Küche betrat, war Brian gerade dabei, Shrimps zu säubern. Und zu singen, wie Jo überrascht feststellte.
»Was ist bloß in dieses Haus gefahren?« fragte Jo. »Daddy macht Konversation und will die Pläne fürs Solarium sehen, und du singst in der Küche.«
»Ich hab’ nicht gesungen.«
»Aber klar hast du. Es war zwar eine ziemlich lausige Version von ›I Love Rock and Roll‹, aber man kann es als singen bezeichnen.«
»Und wenn schon. Ist schließlich meine Küche.«
»Das hört sich schon besser an.« Sie öffnete den Kühlschrank und holte ein Bier heraus. »Willst du auch eins?«
»Gute Idee, ich zerfließe förmlich.« Mit dem Handrücken wischte er sich über seine schweißnasse Stirn und griff nach der geöffneten Flasche, die sie ihm entgegenhielt. Er nahm einen langen Zug. »Wie sieht’s aus, kann sich Nathan heute ohne Humpeln fortbewegen?«
»Ja, aber ich hab’ ihm die Lippe blutig geschlagen.« Sie griff in die weiße Keramikdose und fischte einen Schokoladenkeks heraus. »Ein Bruder mit ein wenig Anstand hätte das für mich übernommen.«
»Du hast immer gesagt, daß du für dich selbst kämpfen willst. Wie kannst du nur Schokokekse mit Bier runterspülen? Das ist ja widerlich.«
»Mir schmeckt’s. Kann ich dir helfen?«
Jetzt war Brian überrascht. »Was meinst du mit ›helfen‹?«
»Zur Hand gehen«, schnauzte Jo. »Irgendwas schneiden oder umrühren.«
Er nahm noch einen Schluck und sah sie prüfend an.
»Ein paar Karotten könnte ich brauchen. Geschält und gerieben.«
»Wie viele?«
»Für zwanzig Dollar. Soviel kostest du mich nämlich.«
»Wie bitte?«
»Ach nichts, nur eine kleine Wette mit Lexy. Ein Dutzend reicht«, sagte er und wandte sich wieder seinen Shrimps zu.
Jo zählte die Karotten ab und begann, sie mit langsamen, präzisen Bewegungen zu schaben.
»Wenn es etwas gäbe, an das du dein Leben lang geglaubt hast, etwas, mit dem du gelernt hast zu leben, das aber nicht der Wahrheit entspricht – würdest du lieber weiter an das Falsche glauben, oder wolltest du die Wahrheit wissen, auch wenn sie schlimmer ist?«
»Schlafende Hunde soll man nicht wecken.« Er warf die Shrimps in eine Mischung aus
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