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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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niedergeschriebenen Worte waren im Lauf der Zeit verblichen.
    Der entscheidende Augenblick ist das ultimative Ziel meiner Arbeit. Den kurzen, flüchtigen Moment festhalten, in dem alles Dynamische, alle Elemente eines Motivs den Höhepunkt erreichen. Welcher Augenblick kann entscheidender, endgültiger sein als der des Todes? Und wie kann der Fotograf größere Macht über diesen Augenblick, über das Bannen dieses Augenblicks auf den Film erlangen, als daß er den Tod plant, inszeniert, herbeiführt? Allein
dieser Akt verbindet Motiv und Künstler, macht ihn zum Teil der Kunst und des geschaffenen Bildes.
    Da ich nur eine Frau töten werde, nur einen entscheidenden Augenblick herbeiführen werde, habe ich sie mit größter Sorgfalt ausgewählt.
    Ihr Name ist Annabelle.
    Leise seufzend hängte er den Abzug zum Trocknen auf und knipste das Deckenlicht an, um ihn betrachten zu können.
    »Annabelle«, murmelte er. »Du warst wunderschön. Und deine Tochter ist dein Ebenbild.«
    Dann ließ er die ins Leere starrende Annabelle zurück, um die letzten Einzelheiten seines Aufenthalts auf Desire zu planen.

Fünf
    Der Fährdampfer überquerte den Pelican Sound und bewegte sich ostwärts, in Richtung Lost Desire. Nathan Delaney stand wie damals, als zehnjähriger Junge, an der Steuerbordreling. Es war nicht dasselbe Fährschiff wie damals, und er war auch kein Junge mehr, aber er wollte den Augenblick so genau wie möglich wiederaufleben lassen.
    Vom Meer wehte ein kühler Wind, der einen rauhen, geheimnisvollen Geruch mit sich brachte. Er hatte es wärmer in Erinnerung, aber damals war es schließlich schon Ende Mai und nicht Mitte April gewesen.
    Ziemlich genau wie damals, dachte er, während er sich erinnerte, wie er, seine Eltern und sein jüngerer Bruder im dichten Gedränge an der Steuerbordreling eines anderes Schiffs gestanden und dem ersten Blick auf Desire und dem Beginn ihres Inselsommers entgegengefiebert hatten.
    Er entdeckte keinen großen Unterschied. Auf der Insel ragten die majestätischen, mit Flechten behangenen Eichen, die Palmen und die Magnolien mit ihrem glänzenden Laub auf; sie blühten noch nicht.
    Hatten sie damals schon geblüht? Ein kleiner Junge, der sich auf tausend Abenteuer freute, achtete nicht besonders auf blühende Bäume.
    Er griff nach dem Fernglas, das um seinen Hals hing. Sein Vater hatte ihm an diesem Morgen geholfen, die Brennweite richtig einzustellen, so daß er einen schnellen Blick auf einen Buntspecht erhaschen konnte. Das übliche Gezänk war gefolgt, denn auch Kyle wollte durch das Fernglas schauen, und Nathan hatte sich geweigert, es ihm zu geben.
    Er erinnerte sich, daß seine Mutter über sie gelacht und sein Vater sich zu Kyle hinuntergebeugt hatte, um ihn durch Kitzeln und ein paar Späße von dem Fernglas abzulenken. In seinem Geist sah Nathan das Bild, das sie abgegeben hatten. Die hübsche Frau mit dem wehenden Haar und den dunklen, vor
Aufregung und Freude funkelnden Augen. Die beiden kräftigen, blitzblank geschrubbten, sich kabbelnden Jungen. Und den großen, dunkelhaarigen Mann.
    Und nun, dachte Nathan, bin ich als einziger übriggeblieben. Irgendwie war er in den Körper seines Vaters hineingewachsen, war von dem kleinen, untersetzten Jungen zu einem Mann mit langen Beinen und schmalen Hüften geworden. Wenn er in den Spiegel blickte, erkannte er in seinen hohlen Wangen und den dunkelgrauen Augen seinen Vater wieder. Aber er hatte den schön geschwungenen Mund seiner Mutter und ihr dunkelbraunes, mal golden, mal rötlich schimmerndes Haar. Sein Vater hatte immer gesagt, es erinnere ihn an altes Mahagoniholz.
    Nathan fragte sich, ob Kinder wirklich nur aus den Eigenschaften ihrer Eltern zusammengesetzt waren. Und ihn schauderte.
    Ohne Fernglas sah er, wie die Insel langsam Form annahm. Er konnte die verschwommenen Farben der Wildblumen erkennen, die Rosa- und Violettöne von Lupinen und Sauerklee. Vereinzelte Häuser wurden sichtbar, ein paar gerade und gewundene Straßen, ein Flüßchen, das zwischen Bäumen verschwand. Die dunklen Schatten des Waldes, einst bewohnt von Wildschweinen und Pferden, die schimmernden Sümpfe und die wogenden Halme der im strahlenden Morgenlicht grün und golden glänzenden Gräser ließen die Insel geheimnisvoll erscheinen.
    Dann sah er plötzlich einen weißen Flecken aufblitzen, ganz unvermittelt, so wie ein Sonnenstrahl, der auf Glas trifft. Sanctuary, dachte er und wandte den Blick nicht mehr ab, bis die Fähre Kurs auf die

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