Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
sich Lexy ihrer Schwester zu und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. In ihrer guten Laune war sie großzügig. »Hmmm. Rüschen passen wirklich nicht zu dir.«
»Wenn du was Neues zu vermelden hast, sag Bescheid.«
Jos Sarkasmus perlte an Lexy ab. Langsam umkreiste sie ihre Schwester. »Hast du ein schwarzes T-Shirt, das nicht so weit ist, daß du zweimal reinpaßt?«
Jo nickte finster. »Glaub’ schon.«
»Und schwarze Jeans?« Als Jo zustimmend nickte, legte Lexy zufrieden den Zeigefinger an die Lippen. »Ja, ich glaube, so geht’s. Schlicht und hip. Vielleicht ein paar Ohrringe und einen schicken Gürtel, aber mehr nicht. Und auch keine Locken.«
»Keine Locken?«
»Nein, aber du brauchst eine neue Frisur.« Lexy tippte sich noch immer nachdenklich an die Lippen; dann kniff sie die Augen zusammen und nickte. »Ich glaube, ich weiß wie. Hier ein bißchen weg und da ein bißchen weg.«
»Ein bißchen weg?« Schützend faßte sich Jo mit beiden Händen an den Kopf. »Was meinst du mit weg? Ich lasse mir nicht von dir die Haare schneiden.«
»Warum denn nicht? Die hängen ja doch nur traurig runter.«
»Genau«, schaltete sich nun Kate wieder ein. »Lexy hat wirklich ein Händchen für Haare. Wenn ich keine Zeit habe, um rüber aufs Festland zu fahren, schneidet sie auch meine. Geh und wasch sie, Jo. Und du, Lexy, holst deine Schere.«
»Schon gut, schon gut.« Als Zeichen ihrer Kapitulation hob Jo die Hände. »Wenn sie mich skalpiert, muß ich wenigstens nicht die halbe Nacht mit einem Haufen Kindsköpfen im Sand sitzen und mir blöde Lieder anhören.«
Eine Viertelstunde später saß sie mit einem Handtuch um die Schultern inmitten ihrer herabrieselnden Haarspitzen.
»Himmel.« Jo kniff die Augen zusammen. »Ich bin wirklich verrückt. Daran besteht jetzt kein Zweifel mehr.«
»Hör auf zu meckern«, befahl ihr Lexy, aber ihre Stimme klang eher amüsiert als verärgert. »Bis jetzt ist ja noch gar nichts passiert. Denk außerdem mal daran, wie lange dir diese Prozedur Kate vom Hals hält.«
»Ja, ja.« Jo bemühte sich, ihre Schultern zu entspannen. »Wenigstens etwas.«
»Du hast tolles Haar, Jo. Schön voll mit einer leichten Naturwelle.« Im Spiegel warf sie einen kurzen Blick auf ihre eigene Mähne, die aus wilden Korkenzieherlocken bestand. »Meine Haare sind so glatt wie Schnittlauch, und ich muß ’ne Menge Geld für meine Locken hinlegen. Das Leben ist ungerecht.«
Achselzuckend machte sie sich wieder an die Arbeit. »Du brauchst nichts weiter als einen guten Schnitt. Dafür werde ich schon sorgen.«
»Schneid aber bitte nicht zuviel ab …« Mit schreckensweiten Augen sah Jo eine zehn Zentimeter lange Strähne in ihren Schoß fallen. »Verflucht, was machst du da?«
»Keine Panik, ich schneide dir nur einen Pony.«
»Einen Pony? Ich will aber gar keinen Pony!«
»Du bekommst trotzdem einen. Nur ein paar Fransen. Deine Augen sind dein ganz großer Pluspunkt, und der Pony wird sie betonen. Außerdem sieht er richtig lässig aus.« Sie kämmte und schnipselte, trat zurück, verzog das Gesicht und schnipselte weiter. »Mir gefällt’s. Echt.«
»Wie schön für dich«, murmelte Jo. »Dann kannst du die Frisur ja tragen.«
»Du wirst deine Meinung gleich ändern.« Lexy gab einen Klecks Haargel in ihre Hand, rieb die Handflächen und ließ sie anschließend über Jos feuchte Frisur gleiten. »Du brauchst nur ein bißchen davon. Einen ganz kleinen Klecks.«
Finster betrachtete Jo die Tube. »Ich mag das Zeug nicht.«
»Du wirst es in Zukunft benutzen. Nur ein klitzekleines bißchen«, wiederholte sie. Dann griff sie zum Fön. »Du kannst es auch von selbst trocknen lassen, aber mit dem Fön bekommst du mehr Volumen rein. Du brauchst morgens bestimmt nicht länger als zehn Minuten.«
»Bis jetzt habe ich zwei gebraucht. Bist du vielleicht bald fertig?« Sie sagte sich, daß ihr die Frisur gleichgültig war. Sie hatte es satt, hier rumzusitzen, nichts weiter. Nein, sie war nicht nervös.
»Prima.« Lexy schaltete den Fön aus und zog den Stecker raus. »Alles, was du tust, ist meckern und nörgeln. Meinetwegen kannst du weiter wie eine Hexe rumlaufen, ist mir doch scheißegal.« Lexy stürmte aus dem Zimmer. Widerwillig zog sich Jo das Handtuch von den Schultern.
Als sie sich im Spiegel erblickte, hielt sie einen Moment inne und trat dann näher. Sah irgendwie … nett aus. Zögernd strich sie durch ihr Haar. Nichts hing mehr traurig runter. Die Ohren waren frei, den Nacken hatte
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