Insel der Traumpfade Roman
Nächte waren bitterkalt, der Sommer fing erst in zwei Monaten an. Seine Sachen waren so abgetragen, dass sie nicht einmal dürftige Wärme spendeten, und der klapperdünne Junge zitterte.
»Meinst du, wir schaffen es diesmal?«, flüsterte Paddy ihm von der Matratze nebenan zu.
»Mit Gottes Segen und dem Glück der Iren, hoffe ich«, erwiderte Niall schnatternd.
»Es sind genug Piken für alle versteckt.« Paddy war jetzt sechzehn und hatte schon Erfahrung, was Aufstände betraf. »Dafür habe ich gesorgt.«
»Gut. Dann wollen wir hoffen, dass wir das Beste daraus machen.«
Schweigen trat ein, denn die Erschöpfung forderte ihren Tribut. Die anderen schliefen ein. Niall rollte sich zusammen, um warm zu werden. Doch der Gedanke an die Freiheit hielt ihn wach.
Zwei Tage darauf kam Brannon in die Schmiede, in der Niall und Paddy arbeiteten. »Wir sind aufgeflogen«, sagte er leise.
»Wie das?«, wollte Paddy wissen.
»Diesmal war es kein Spion, nur Pech.«
»Was ist passiert?«, fragte Niall.
»Der Mann, den wir losgeschickt haben, um andere zu unserer Unterstützung aufzurufen, wurde gefangen genommen und so lange gefoltert, bis er ihnen alles erzählt hat. Nach allem, was man so hört, hat Macarthur vom New South Wales Regiment geplant, uns eine Falle zu stellen, sobald wir losgelegt hätten.«
Schweren Herzens kehrten sie an ihre Arbeit zurück. »Das riecht nach Vergeltungsmaßnahmen.« Paddy tunkte das glühende Hufeisen in einen Eimer Wasser.
»Aber wir haben doch nichts getan«, protestierte Niall.
»Seit wann gilt das als Entschuldigung?«
Innerhalb weniger Stunden hatten Macarthur und seine Truppen Brannon, Fitzgerald und die anderen Rädelsführer der fehlgeschlagenen Rebellion verhaftet. Marsden war in seiner Rolle als Richter eifrig darauf bedacht, den Verbleib der versteckten Piken herauszubekommen, von deren Existenz er wusste, die er aber bisher nicht gefunden hatte.
Niall und die anderen duckten sich bei dem Geräusch der Peitsche und den Rufen der Soldaten. Die Arbeit wurde unterbrochen und das Lager auf den Kopf gestellt.
Niall und Paddy schliefen am Abend in ihrem Zelt, als die Soldaten hereinstürmten. »Steh auf, Ire!«, schnauzte einer und packte Paddy.
Noch betäubt vom Schlaf wurde Paddy unsanft auf die Beine gestellt.
Ein Stiefel traf Nialls Hüfte, und er verkroch sich unter der Decke.
»Beweg deinen Arsch, Galvin!«, brüllte der Soldat.
Niall zitterte vor Angst, als sein Freund, lauthals protestierend, aus dem Zelt geschleppt wurde. Die Zeltleinwand schlug wieder zu, und er starrte in die Dunkelheit. Paddy und er hatten die zusätzlichen Piken heimlich hergestellt, sobald ihr Sträflingsaufseher sich außerhalb der Schmiede aufhielt. Sein Freund wusste, wo sie waren – aber würde er den Mut haben zu schweigen? Wenn nicht, wäre er selbst dann der Nächste, den man in die Nacht hinauszerren würde?
An den beiden folgenden Tagen lebte Niall in panischer Angst, seine Anspannung wuchs, und noch immer blieb Paddy verschwunden. Als der Befehl kam, sich auf der Lichtung zu versammeln, auf der öffentliche Auspeitschungen stattfanden, hatte Niall fast nicht geschlafen und war so verängstigt, dass er kaum stehen konnte. Er suchte nach Paddy in der vergeblichen Hoffnung, er wäre bei den in Ketten gefesselten Männern, die man aus den Zellen entlassen und abseits von den anderen aufgestellt hatte.
Seine Hoffnung schwand, als zwei Männer auf die Lichtunggeschleift wurden. Paddy und Fitzgerald waren nach den erlittenen Schlägen kaum noch zu erkennen und mussten von den Wärtern aufrecht gehalten werden.
Marsden stand neben ihnen, das Gesicht vor Wut rot angelaufen. »Ich beschuldige diese Männer, Piken hergestellt und versteckt zu haben und sich zu weigern, ihren Verbleib preiszugeben. Fitzgerald wird fünfhundert Schläge erhalten, Galvin dreihundert.«
Paddys Kopf sank nach vorn, und seine Knie gaben nach. Die Galle kam Niall hoch, als er zusah, wie Fitzgerald an den Prügelstamm gebunden wurde. Die Arme des Mannes wurden um den dicken Stamm gelegt, bis seine Brust so fest dagegen gedrückt war, dass er keine Chance hatte, der Peitsche auszuweichen.
Die beiden Männer mit den Peitschen waren im Begriff anzufangen, und mit Schaudern erkannte Niall in ihnen die bekannten Schlächter, die alle Sträflinge fürchteten. John Johnson, der Henker von Sydney Town, war Rechtshänder, Richard Rice Linkshänder. Sie standen zu beiden Seiten von Fitzgerald und warteten auf Marsdens
Weitere Kostenlose Bücher