Insel der Traumpfade Roman
an den Tag gelegt hatte, bevor Charles zur Welt gekommen war. Er war immer häufiger abwesend, ohne eine Erklärung dafür abzugeben, und obwohl es ihr besser ging, wenn er außer Haus war, fühlte sie sich im Stich gelassen.
Jetzt saß Eloise im Wohnzimmer, ein Buch neben sich auf der Couch. Edward hatte zum Abend seine Offizierskameraden eingeladen. Sie hatte die Männer dem Kartenspiel und dem Rum überlassen und war ins Wohnzimmer gegangen, um zu lesen, doch bei dem Lärm, der aus dem Esszimmer auf der anderen Seite der Diele zu ihr herübertönte, konnte sie sich unmöglich konzentrieren.
Ihr Leben war in einem Ring aus Schmerz erstarrt, aus dem es kein Entrinnen gab. George hatte Australien verlassen und war seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen worden. Also hatte sie sich an die Hoffnung geklammert, vom Wrack ihrer Ehe noch etwas retten zu können. Doch die Geburt des zweiten Sohnes hatte nichts verändert.
Auf dem Gitter verrutschte ein Holzscheit, Funken stoben in den Kamin. Eloise hatte George nie vollständig aus ihren Gedanken verbannt, und jetzt beschwor sie ihn herauf, dachte an alles, was ihnen gemeinsam war, das tiefe, beständige Gefühl, dass sie zusammengehörten, und das Wissen, dass ihre Liebe weiterbestehen würde, solange sie atmeten. Barsche Rufe aus dem anderen Zimmer lenkten sie von ihren Erinnerungen ab. Die Männer waren betrunken und würden bald die Kinder wecken, wenn sie nicht leiser wurden, dachte sie. Auch für sie wurde es Zeit, schlafen zu gehen. Sie klingelte nach dem Hausmädchen und befahl ihm, das Feuer zu löschen. Dann durchquerte sie die Diele und kam an der Tür zum Esszimmer vorbei.
Die grölende Stimme war schleppend, doch die Worte waren immerhin so deutlich, dass sie Eloise bis ins Mark erschütterten.
»Du hast das Glück des Teufels, Edward. Nicht viele Männer kommen mit dem, was du auf dem Kerbholz hast, so ungeschoren davon wie du, kehren nach der Versetzung zurück, werden befördert und machen ein Vermögen. Es ist dir ja sogar gelungen, den alten Wickens so übers Ohr zu hauen, dass er tatsächlich seine Farm hergegeben hat und du deine Schulden bei Carlton begleichen konntest.«
Diese Äußerung fand herzhaften Beifall.
»Das ist noch gar nichts«, prahlte Edward. »Albert Rogers habe ich für ein Fass Rum gekriegt, und bei seinem netten kleinen Bäckerladen muss ich nur noch zugreifen.«
»Wie hast du ihn überredet zu verkaufen?«
»Verkaufen?«, grölte Edward. »Er schenkt ihn mir.«
Diese Ankündigung traf auf ungläubiges Staunen.
»Ich habe herausgefunden, dass er eine Eingeborene zur Geliebten hat und dass es auch noch zwei schwarze Babys aus dieser Verbindung gibt. Das habe ich beiläufig erwähnt mit dem Hinweis, der Preis für mein Schweigen sei die Bäckerei. Ich habe ihm bis morgen Zeit gegeben, sich zu entscheiden.« Er wartete, bis der Tumult sich gelegt hatte. »Aber es wäre vielleicht amüsant, es seiner Frau trotzdem zu erzählen, wenn der Laden erst mir gehört. Der arme Albert kommt gegen ihre spitze Zunge nicht an, und es würde mir Spaß machen, ihn vor ihr kriechen zu sehen.«
Eloise hielt es nicht mehr aus und suchte Zuflucht in ihrem Schlafzimmer. Die Worte hallten in ihrem Kopf wider und sie fand keinen Schlaf. Lachen und lautes Gerede drangen zu ihr herauf, während sie versuchte, mit dem fertig zu werden, was sie gerade erfahren hatte.
Sie starrte an die Stuckdecke und grübelte. Edwards geschäftliche Angelegenheiten hatten ihr stets Sorge bereitet, und sie hatte schon seit langem vermutet, dass es bei seinen Geschäften nicht nur mit rechten Dingen zuging. Aber Erpressung?
Sie konnte das, was sie da gehört hatte, niemandem anvertrauen – schon gar nicht ihrem Vater, der damit herausplatzen und alles nur verschlimmern würde. Jonathan Cadwallader war außer Reichweite in England – bestimmt konnte er nicht gewusst haben, dass sein Sohn ein erpresserischer Betrüger war. Er war ein Mann mit Prinzipien, und es wäre ihm unmöglich gewesen zu schweigen.
Und wobei war Edward ungeschoren davongekommen? Der Mann hatte sich auf ein Ereignis in der Vergangenheit bezogen, das mit Edwards Zeit am Brisbane River zu tun hatte. Es konnte sich doch nicht auf den Prozess beziehen … oder doch? Zweifel und Verdacht kamen in ihr auf. Auf einmal ergaben Gesprächsfetzen und Gerüchte einen Sinn, und mit widerwärtiger Deutlichkeit wurde ihr bewusst, wie Edward die Tatsachen verfälscht hatte. »Großer Gott«, stöhnte sie,
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