Insel der Traumpfade Roman
würde.
Waymbuurr (Cooktown), März 1810
Mandawuys Wanderung zurück in sein Stammesland hatte viele Jahreszeiten gedauert, denn er hatte unterwegs andere Stämme besucht, mit ihnen gejagt, gefischt und ihre Gastfreundschaft angenommen. Ihre Ältesten hatten ihm zugehört, wenn er von seiner Zeit bei Tedbury berichtete, wenn er ihnen erzählte, dass die guten Menschen, die am großen Fluss lebten, seine Wunden geheilt und ihn mit Achtung und Freundlichkeit behandelt hatten.
Er seinerseits hatte dem Rat der weisen alten Männer gelauscht, denn der weiße Mann breitete sich immer weiter nach Norden aus, und er wusste, dass sein eigener Stamm schon bald in Kontakt mit ihm kommen würde. Er würde das Wissen, das er mit seinen Wanderungen und Erfahrungen erlangt hatte, verwenden, um sein Volk auf die Invasion vorzubereiten.
Jetzt war er bei seinem Volk und versuchte, ihnen die Botschaft begreiflich zu machen, die er mitgebracht hatte. »Der weiße Mann wird kommen«, sagte er zu dem Kreis der Ältesten, die sich am Strand versammelt hatten. »Es kann noch viele Jahreszeiten dauern – aber es wird passieren, und wir müssen darauf vorbereitet sein.«
»Wir werden sie mit unseren Speeren und nullas bekämpfen«, rief einer unter ihnen. »Das hier ist unsere geheiligte Erde. Wir werden sie wie Insekten zermalmen.«
Mandawuy schüttelte den Kopf. »Wenn wir einen Ameisenhaufen aufbrechen, sind zu viele Ameisen da, um sie alle zu zerdrücken. Und das ist gut so, denn wir sind auf Insekten angewiesen, die uns die Jahreszeiten zeigen und uns zu Honig, Wasser und den Blättern führen, die unsere Frauen als Heilmittel verwenden.« Er mäßigte seinen Tonfall, als er merkte, dass der Erste unter den Ältesten wegen seiner Gereiztheit und Respektlosigkeit die Stirn runzelte. »Schwarz und Weiß können zusammenleben, so wie wir mit den Insekten leben«, fuhr er fort. »Sie haben eine andere Art als wir und glauben an viele merkwürdige Dinge – aber sie können uns heilen, uns ernähren, unseren Frauen und Kindern in Hungerzeiten Unterschlupf gewähren und uns vieles beibringen.«
»Wir haben so gelebt wie unsere Vorfahren, als sie über diese Erde wandelten. Wir brauchen weder die Medizin noch den Schutz des weißen Mannes.« Der alte Mann funkelte Mandawuy an. »Du hast dein Volk verlassen, um mit Tedbury zu gehen. Kampfeslust hat dich zum Kriegsspeer greifen lassen – warum bist du jetzt gegen einen Krieg mit dem weißen Mann, obwohl du sein Blut vergossen hast?«
»Die Haut dieser Menschen ist weiß, ihre Augen sind blass, aber sie gehen wie wir und glauben an die Geister. Wir können von ihnen lernen und sie von uns.«
Der alte Mann nickte. »Ich werde über deine Worte nachdenken, denn deine Großmutter Lowitja war eine weise Frau und hat über solche Dinge gesprochen, bevor sie zu den Sternen gesungen wurde.«
»Der Älteste Watpipa, der Mann von Anabarru, hat auch von dem weißen Mann gesprochen, der vor vielen Monden hier war. Vielleicht sollte man meine Worte beachten und darüber reden«, warf Mandawuy ein.
Der alte Mann war über die Unterbrechung ungehalten. Er richtete seinen stechenden Blick auf Mandawuy. »Geh jetzt«, fuhr er ihn an, »und warte, bis ich bereit bin, wieder mit dir zu sprechen.«
Mandawuy erhob sich und begab sich ans Lagerfeuer zu der Frau, die beim nächsten Vollmond seine Frau würde. Über das Wissen, das er in den vergangenen Jahreszeiten angesammelt hatte, würde geredet und gestritten werden, doch er vertraute den Ältesten, die richtige Entscheidung zu treffen. Sein Volk würde auf die Ankunft des weißen Mannes vorbereitet sein – und wenn man den weißen Mann willkommen hieße, würde das Blutvergießen verhindert, das die südlichen Stämme dezimiert hatte.
Sydney Town, März 1810
»Schön, dich nach so langer Zeit wiederzusehen, George«, sagte Thomas Morely und schüttelte seinem Freund die Hand.
»Es ist gut, wieder zu Hause zu sein«, stellte George fest, setzte sich in einen Sessel und gab dem Mann hinter der Bar ein Zeichen, ihnen zwei Whiskys zu bringen. »Wie ich hörte, ist es seit meinem letzten Besuch hier recht lebhaft zugegangen.«
Thomas schnaubte. »Das ist nicht unbedingt das Wort, das ichdafür gewählt hätte«, entgegnete er. » › Beunruhigend ‹ wäre zutreffender.«
Sie warteten auf ihre Getränke, und nach dem ersten Schluck knöpfte George seinen Gehrock auf und lehnte sich entspannt zurück. »Soweit ich weiß, hat es einen Militärputsch
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