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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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teilnehmen zu lassen. »Wenigstens schlägt er die Kinder nicht«, flüsterte sie. »Ich kann alles ertragen, wenn er sie in Ruhe lässt.«
    Aus dem Spiegel sahen ihr traurige Augen entgegen. Langsam aber sicher hatte Edward aus ihr einen unterwürfigen, zitternden Schatten ihrer selbst gemacht, der den Willen verloren hatte, sich zur Wehr zu setzen. Irgendwo tief in ihr steckte noch die Frau, die sie einst gewesen war, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, ihr nachzuspüren. Niedergeschlagen sank sie wieder auf das Sofa – sie würde nie den Mut aufbringen zu gehen.
    Der Eber schnüffelte im Unterholz. Er hatte den saftigen Pilz gerochen, der am Fuß des Baumes wuchs, und der Hunger ließ ihn alle Vorsicht vergessen. Er bohrte die Nase in die weiche Erde und grub in wilder Erregung mit seinen gebogenen Eckzähnen, während der Geruch stärker wurde. Jeder Gedanke an Gefahr löste sich auf.
    Edward überprüfte, ob sie sich im Windschatten befanden, und zügelte sein Pferd. »Da«, murmelte er. »Seht ihr, wie die Farne zittern? Da ist etwas Großes, und ich wette, es ist der Eber.« Mit fahrigen Händen zog er sein Gewehr aus der Satteltasche und hätte es beinahe fallen lassen.
    Charles und Harry hatten noch nie einen Eber gejagt, wussten aber, dass es gefährlich war. Sie entsicherten ihre Gewehre behutsam, denn selbst das leise Klicken genügte, das Tier auf sie aufmerksam zu machen.
    »Ich werde ihn heraustreiben«, flüsterte Edward. »Charles, du reitest da rüber, und Harry, du bleibst hier. Schießt, sobald ihr ihnentdeckt, und trefft nicht daneben! Ein verletzter Eber ist höchst unberechenbar.«
    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Jungen die ihnen angewiesenen Plätze eingenommen hatten, folgte Edward der Spur des Tieres durch das Unterholz. Er hätte ein Königreich für einen Schluck Rum gegeben, doch die Feldflasche war leer, es war zu weit bis nach Hause, und der Eber würde nicht warten. Es kostete ihn übermenschliche Anstrengung, das Zittern seiner Glieder zu beherrschen.
    Das Pferd zögerte, in den Busch zu gehen, sobald es den Eber gewittert hatte, und Edward grub ihm die Sporen in die Flanken, um es weiterzutreiben, fürchtete jedoch gleichzeitig, dass der Eber sie hören könnte.
    Der Eber hob die Schnauze und spähte mit seinen kurzsichtigen Augen ins Unterholz. Er roch Mensch und Pferd, spürte die Vibrationen im Boden und wusste, Gefahr war im Verzug. Mit unbehaglichem Grunzen suchte er Zuflucht im tieferen Unterholz.
    Edward wurde klar, dass der Versuch, sich heimlich anzuschleichen, keinen Sinn hatte. Das Pferd war zu nervös. Daher trieb er es zum Galopp an und begann zu schreien, während sie auf ihre Beute zustoben.
    Nun war der Eber verwirrt und ängstlich. Die Geräusche hatten ihn umzingelt, es gab offenbar keinen Ausweg. Er konnte nicht über das Ende seiner Schnauze hinwegsehen, und seine kurzen, stämmigen Beine versanken im Schlamm, während er sich hin und her drehte in dem verzweifelten Versuch, einen Weg durch das Gestrüpp zu finden. Als die donnernden Hufe und das laute Gebrüll immer näher kamen, stürzte er sich kopfüber durch eine Lücke zwischen den Farnen.
    »Er gehört euch«, schrie Edward, als der Eber hinausstürmte. »Schnell! Bevor er entkommt!«
    Der Eber spürte, wie die erste Kugel seine Flanke streifte. Er kreischte auf, als die zweite sich rief in seine Schnauze bohrte.Wahnsinnig vor Schmerz und Angst, rannte er blindlings über die Lichtung.
    »Ihr habt ihn nur gestreift!«, brüllte Edward. »Schießt noch einmal!« Er fummelte an seinem Gewehr herum und versuchte, das Gleichgewicht zu halten, da sein Pferd durchzugehen drohte. Schweiß brannte ihm in den Augen, die Angst ließ sein Herz rasen – Harry stand in der Richtung, in die der Eber rannte, doch sein Gewehr klemmte und sein Pony scheute.
    Dann bäumte sich Charles’ Pferd auf.
    Der Eber zögerte, denn das Beben unter seinen Läufen wurde stärker. Der Schmerz in seiner Schnauze war furchtbar, sein Zorn über seine Notlage überwältigend. Er sah tänzelnde Hufe und wirbelte herum auf der Suche nach einem anderen Ziel. Seine Ohren zuckten, als er sah, wie der Mensch zu Boden ging, und er raste wild entschlossen auf ihn zu, die gebogenen Eckzähne darauf ausgerichtet, seinen Feind zu reißen.
    »Charlie!«, brüllte Harry, als sein Bruder auf dem Boden aufschlug. »Charlie, nimm das Gewehr. Schieß! Schieß!«
    Charles streckte die Hand nach dem Gewehr aus, aber es lag außer Reichweite.

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