Insel der Traumpfade Roman
seines Pferdes aus den menschenleeren Strand überblickte. Es war Ebbe, das Meer nahm bereits die tiefe türkisfarbene Tönung des klaren Himmels an, die Wellen glänzten auf dem Sand. Es war ein perfekter Morgen für einen Ausritt, warum war sie also nicht gekommen?
Er konnte das mulmige Gefühl, dass etwas nicht stimmte, nicht abstreifen und war nicht willens, fortzugehen, ohne sie gesehen zu haben. Er trieb sein Pferd die steile Düne hinunter auf den harten Sand über der Flutmarke. Das Pferd warf den Kopf in den Nacken und tänzelte, als wäre es sich der Unbehaglichkeit seines Reiters bewusst.
»Ruhig, mein Junge!«, sagte George. »Ich bin genauso nervös wie du, aber ich muss mich mit eigenen Augen überzeugen.«
Auf seinem Weg am Strand entlang hörte er in der Ferne Gewehrschüsse und fragte sich, ob eine Jagdgesellschaft auf Edwards Grund und Boden unterwegs sei. Wenn ja, musste er vorsichtig sein – Eloise bewirtete womöglich die Damen, und ihm fiel kein triftiger Grund ein, ohne Einladung dort aufzutauchen.
Er ließ das Pferd im Schritt gehen, sobald das Haus in Sicht kam, und hielt auf einer leichten Erhebung hinter dem Strand an. Eine dünne Rauchfahne stieg aus dem Kamin, doch die Fensterläden waren geschlossen, und im Garten und im Stall war kein Lebenszeichen auszumachen.
George runzelte die Stirn, böse Vorahnungen stiegen in ihm auf. Thomas hatte ihm versichert, dass die Bewohner zu Hause seien und Eloise nur selten aus dem Haus gehe; trotzdem wirkte die Wohnstatt verlassen.
Er trieb das Pferd an und näherte sich dem Tor, wobei ihm auffiel, dass die Farbe abblätterte und das Holz verwittert war. Als er es hinter sich zufallen ließ, sah er, dass der Rasen gemäht werdenmusste und die Blumenbeete mit Unkraut überwuchert waren. Er ritt auf die Eingangstür zu. Auch der erbärmliche Zustand der Veranda zeugte von Vernachlässigung.
Er glitt aus dem Sattel und band die Zügel an das verrottende Geländer. Sein Mund war trocken, sein Puls raste, doch seine Füße trugen ihn die ausgetretenen Stufen hinauf. Bevor er sich überlegen konnte, ob sein Vorgehen klug war, klopfte er an die Haustür.
Nach seiner einsamen Zeit im Busch fühlte Mandarg sich unbesiegbar – als wäre er neu geboren und hätte noch einmal den schmerzhaften Initiationsritus vollzogen, der ihn an seinen Stamm und den Glauben seines Volkes gebunden und ihn zum spirituellen Herzen seiner Ahnen zurückgeführt hatte.
Er hatte allein gejagt, die Gesänge der Ahnen angestimmt, wenn der Mond aufging, und sich von neuem mit den Höhlenmalereien bekannt gemacht, die Geschichten aus der Traumzeit erzählten, und mit der Erde, die ihn genährt und ihm Leben geschenkt hatte. Jetzt war sein Körper drahtig, die Muskeln trainiert, seine Sinne waren wieder so scharf wie in seiner Jugend.
Gleichmäßigen Schrittes war er zum Land des weißen Teufels gewandert und hatte es erreicht, noch ehe die Sonne aufgegangen war. Im ersten grauen Tageslicht hatte er sich Gesicht und Körper mit dem roten Ton vom Wasserloch eingerieben. Jetzt war er in den schwankenden Schatten der Bäume perfekt getarnt. Die Speere locker in den Händen, verschmolz er mit den Bäumen und beobachtete den Mann und die beiden Jungen, die an ihm vorüberritten. Gewehre hingen an den Sätteln, und der Mann trug eine Pistole an der Hüfte.
Das beunruhigte Mandarg nicht, denn er konnte mit der lautlosen, schnellen Waffe seiner Ahnen ohne Vorwarnung den Tod bringen. Die Kriegsspeere, die er bei sich hatte, waren länger als die, die er zur Jagd verwendete, und er hatte viele Stunden damit zugebracht, die Spitzen aus Feuerstein zu schleifen, bis sie tödlichscharf waren. Dann hatte er sie in die gewundenen Gedärme eines verwesenden Kadavers gestoßen, bis sie gut mit Gift bedeckt waren. Ein einziger Kratzer dieser tödlichen Waffe reichte aus, um auch das stärkste Tier zu Fall zu bringen.
Mandarg vernahm das Rauschen von Flügeln. Dort auf einem Ast saß die Eule der Geister, ihre weißen Brustfedern leuchteten im Halbdunkel. Er nickte ihr zu, und sie blinzelte. Während er sich verstohlen durch Schatten und Licht fortbewegte und den Reitern tiefer in den Busch hinein folgte, flog sie neben ihm her. Sie würde entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt gekommen war. Dann würde er zuschlagen.
Edward langte in den Beutel des Kängurus, zog das Junge heraus, schnitt ihm die Kehle durch und warf es beiseite. Er hielt Charles das blutige Messer hin und hockte sich neben
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