Insel der Traumpfade Roman
eingeschlafen waren, aneinandergeschmiegt wie zwei Kätzchen. Sehnsucht ergriff sie, und sie hoffte, dass auch sie eines Tages ein Kind bekommen würde. »Sie sind so hübsch«, sagte sie und setztesich auf den Stuhl, den Nell ihr anbot. »Du kannst dich glücklich schätzen, Nell. Aber wie hast du nur hier draußen eine Hebamme gefunden?«
Nell lachte. »Keine Hebamme, die etwas taugt, kommt in diese entlegene Gegend«, sagte sie fröhlich. »Man ist ganz auf sich allein gestellt.« Sie musste Alice die Besorgnis vom Gesicht abgelesen haben, denn sie tätschelte ihr aufmunternd die Hand. »Aber wenn deine Zeit gekommen ist, werde ich da sein, und nachdem ich drei Kinder zur Welt gebracht habe, meine ich doch, das ich mich mit Geburten einigermaßen auskenne.«
Alice fiel es schwer, Nells Lächeln zu erwidern. Sie zog Amy, die sich vor ihr postiert hatte, auf ihren Schoß. An solche Dinge hatte sie keinen Gedanken verschwendet, sondern war einfach davon ausgegangen, dass es in diesem Außenposten der Kolonie eine Hebamme gäbe, so wie in Kapstadt – aber anscheinend hatte sie sich geirrt. Sie versuchte sich auf das Fadenspiel zu konzentrieren, das Amy mit einem Wollfaden begonnen hatte, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Es gab viel zu lernen, und es schockierte sie, dass sie auf ein Leben hier offensichtlich schlecht vorbereitet war.
Nell schepperte und klapperte am Herd herum, ohne ihren Redefluss zu bremsen, und brachte Tee und selbstgemachte Plätzchen auf einem dicken Porzellanteller. Dann hob sie einen Zwilling, der gerade erwacht war, aus seinem Nest aus Decken, ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte ihn an. »Ich weiß, er ist dafür schon ein bisschen alt, aber es hält ihn ruhig«, gestand sie. »Walter ist gierig, das kann man wohl sagen. Genau wie sein Vater.«
Alice trank ihren Tee. Sie errötete, als Jack in den Raum trat. »Das ist Billy«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf den Mann, der ihm folgte. »Er benimmt sich zwar wie ein feiner Herr«, fuhr er augenzwinkernd fort, »aber sei auf der Hut, Alice, er ist in Wirklichkeit ein Lump.« Alice betrachtete den gut aussehenden, dunkelhaarigen Mann mit der fröhlichen Miene. Mit seinem Grinsen und der kühnen Haartolle über der Stirn hatte er tatsächlich etwasvon einem Gauner an sich, doch als er ihre Rechte ergriff und galant einen Handkuss andeutete, verstand sie, warum Nell sich in ihn verliebt hatte. »Freut mich, dich endlich kennenzulernen, Alice«, sagte er mit deutlich kornischem Akzent. »Es war eine lange Wartezeit, und Jack hat es fast nicht ausgehalten.« Er grinste seinen Freund an und schlug ihm kumpelhaft auf den Rücken. »Manchmal hat er ausgesehen wie ein Trauerkloß, aber jetzt ist er wieder ganz der Alte, und ich kann ihn endlich wieder an die Arbeit stellen.«
»Billy!«, protestierte Jack.
»Ha, ha!«, dröhnte Billy, und eine Haarsträhne fiel ihm über die Augen. »Du läufst ja rot an wie ein Mädchen!«
Jack versetzte ihm scherzhaft einen Stoß.
Alice sah, wie zugetan sich die beiden waren, und obwohl sie von dem, was Billy sagte, nur die Hälfte verstand, wurde ihr klar, dass sich die beiden Männer so nahestanden wie Brüder. Während sie die beiden bei ihren Späßen beobachtete, versuchte sie, nicht auf Nell zu achten, die lachte und plauderte und ihr Kind in Gegenwart der Männer weiter stillte, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Hatte die Frau denn gar keine Scham? Und was war mit Jack? War ihm dieser Anblick nicht peinlich? Offensichtlich schien Jack jedoch daran gewöhnt, denn er schenkte Nell nur wenig Beachtung und begann, mit Billy über Schafe zu reden.
Alice musste hier weg – von Nell und dem Säugling, von Lärm und Geklapper. »Ich glaube, ich sehe mal nach meinen Schafen«, sagte sie, und ihre Worte unterbrachen die allgemeine Plauderei. »Ich möchte sicherstellen, dass sie versorgt sind.« Sie schaute Jack an. »Dann können wir sie zu unseren anderen bringen. Hast du da drüben Pferche?«
»Sie werden an Ort und Stelle eingepfercht«, sagte Jack, der gerade Amy an seinem ausgestreckten Arm schwingen ließ. »Sobald sie getränkt sind, können wir sie auf die Weide zu den anderen lassen.«
Alice runzelte die Stirn. »Es ist doch bestimmt besser, sie nur einmal zu verlegen, oder? Wenn wir sie jetzt auf unsere Weide bringen, kommen sie schneller zur Ruhe.«
Nell setzte ihr sattes Kind auf den Boden, gab ihm einen Keks und bedeckte ihre Brust. »Hier gibt es nicht unsere
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