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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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einen Verlust nicht aufzuwiegen: Die Soldaten bekamen nicht die volle Ration Rum, die ihnen täglich zustand, nämlich ein halbes Pint. Captain Sinclair, der den Schnaps ausgab, hatte sich darauf verlegt, den Rum mit Wasser zu so genanntem »Grog« zu verdünnen. In Portsmouth hatte es deshalb einen Aufschrei der Empörung gegeben, und in den Tagen danach war der Rum so ausgeschenkt worden, wie es sich gehörte, nämlich unverdünnt. Doch seit den Scilly-Inseln wurden die Soldaten wieder mit Grog abgespeist, und das sorgte für böses Blut. Rum war für die Matrosen und Seesoldaten Anfang und Ende aller irdischen Freuden auf See, entsprechend groß war ihr Zorn auf den Kapitän. Sinclair freilich kümmerte das nicht. Er thronte oben in seiner Achterhütte, die er zu einer Festung ausgebaut hatte, und beabsichtigte, den Rum, den er jetzt hortete, später Gewinn bringend zu verkaufen. Wenn die Bande unbedingt unverdünnten Rum wollte, sollte sie gefälligst dafür bezahlen. Irgendjemand musste schließlich die neue Achterhütte finanzieren, denn die Admiralität würde dafür keinen Penny herausrücken.
    Umso größer war die Freude der Männer, als sie im Hafen von Santa Cruz ankerten. Endlich konnten sie an Land gehen und sich so viel Rum beschaffen, wie sie nur trinken konnten. Doch in diesem Augenblick gab Major Ross den Befehl, den Urlaub der Seesoldaten auf ein Minimum zu beschränken! Leutnant Johnstone teilte ihnen in seinem schleppenden Tonfall mit, dass tagsüber eine volle Wache gestellt werden müsse, da Gouverneur Phillip nicht wünsche, dass man die Gefangenen ewig unter Deck einsperre. Außerdem werde der Gouverneur mit seinem Adjutanten, Leutnant King, dem Schiff einen unangemeldeten Besuch abstatten, solange
es vor Teneriffa liege. Also wehe dem Seesoldaten, den er ohne vorschriftsmäßigen Lederkragen oder Gamaschen antreffe! Das Schiff sei mit verzweifelten Kriminellen voll gestopft und die Nähe Englands dulde kein Nachlassen in der Wachsamkeit. Sergeant Knight, der wegen seiner Proteste gegen die Ausgabe von Grog einem Kriegsgerichtsverfahren entgegensah, war von all dem ebenso wenig erbaut wie seine Untergebenen.
    Dass kein höherer Offizier auf der Alexander weilte, machte alles noch schlimmer. Nun, da die Leutnants Johnstone und Shairp bequeme Kabinen auf dem Achterdeck bezogen hatten, waren sie, was ihr leibliches Wohl anging, in keinster Weise mehr auf ihren Untergebenen angewiesen. Sie hatten eigene Stewards und eine eigene Kombüse, durften Vieh an Bord halten und konnten, solange die Alexander auf See war, jederzeit nach Belieben mit einem Beiboot Freunde auf den anderen Schiffen besuchen. Und was die Mannschaften, die Trommler, die Unteroffiziere und den einsamen Sergeant anging, so hatten sie ihre Aufgabe, annähernd zweihundert Verbrecher zu füttern und zu bewachen, unterschätzt. Sie waren davon ausgegangen, dass man die Gefangenen in den Häfen unter Deck sperren würde. Nun mussten sie erfahren, dass dieser Spinner von Gouverneur darauf pochte, sie sogar im Hafen an Deck herumspazieren zu lassen!
    Natürlich kam der Rum in dem Moment an Bord, als die Besatzung Landgang erhielt. Matrosen und Soldaten hatten zusammengelegt und auf diese Weise sichergestellt, dass auch diejenigen, die Wache hatten, sich mit Hochprozentigerem als Sinclairs Grog die trockenen Kehlen anfeuchten konnten. Und dies eine Mal war ihnen auch das Glück hold, denn die Alexander war das erste Schiff, das der Gouverneur am späten Nachmittag des 4. Juni inspizierte. Sogar der Captain bequemte sich aus seiner Achterhütte und plauderte höflich mit dem Gouverneur, während die Sträflinge in Reih und Glied auf dem Oberdeck standen, bewacht von den Dienst tuenden Seesoldaten, die zwar blutunterlaufene Augen und Schnapsfahnen hatten, aber die vorschriftsmäßigen Kragen und Gamaschen trugen.
    »Was für ein Jammer«, klagte Phillip beim Rundgang durch das
Gefängnis, »dass wir uns keine besseren Unterkünfte für diese Leute leisten können. Wie ich sehe, sind vierzehn Mann so krank, dass sie nicht antreten können. Ich bezweifle außerdem, dass sich in diesen Gängen mehr als vierzig Männer gleichzeitig die Beine vertreten können. Aus diesem Grund müssen wir die Gefangenen so oft wie möglich an Deck lassen. Wenn es Ärger gibt«, fügte er an Major Robert Ross und die Leutnants der Alexander gewandt hinzu, »legen Sie die Übeltäter ein paar Tage lang in Ketten.«
    Richard stand mit den anderen an Deck und

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