Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
fragte sich Richard, ohne seinen Platz zu verlassen. Sein Magen knurrte. Die frische Luft machte Appetit, aber mehr als die üblichen Rationen war nicht zu bekommen.
Pro Tag ein Pfund Hartbrot, schlecht gewogen, und ein Dreiviertelpfund Pökelfleisch, noch schlechter gewogen, dazu zwei Quart Portsmouth-Wasser. Nicht annähernd genug. Oh, wie er sich nach den Proviantbooten auf der Themse und einem guten Essen sehnte!
    Von den Kranken abgesehen, litten die Sträflinge ständig unter quälendem Hunger. Während Richard und seine Gefährten von der Backbordseite an Deck weilten, hatten ein paar Männer von der Steuerbordseite mit einem Eisenbolzen vom Großmast die Luken unter dem Gefängnis aufgebrochen. Rum fanden sie nicht, dafür aber eine Proviantlast mit Brot. Doch wie immer hielt einer nicht dicht, und so stiegen wenig später ein Dutzend Seesoldaten durch die hintere Luke und ertappten die Diebe dabei, wie sie die steinharten kleinen Laibe unter den Hungerleidern verteilten.
    Sechs Männer wurden an Deck gezerrt und den Leutnants Johnstone und Shairp vorgeführt.
    »Zwanzig Peitschenhiebe und wieder in Eisen legen«, befahl Johnstone knapp und nickte Corporal Sampson zu, der soeben aus dem Niedergang im Achterschiff getreten war. In der Hand hielt er eine Katze, die sehr viel unangenehmer war als ihr vierbeiniger Namensvetter, wie Mr Thistlethwaite es einst ausgedrückt hatte, ein Instrument mit einem dicken Griff aus Tau, das um einen Kern gewickelt war, und neun dünnen, in regelmäßigen Abständen mit Knoten versehenen Schnüren, an deren Ende eine bleifarbene Perle saß.
    Richard wollte ins Gefängnis unter Deck flüchten, musste aber feststellen, dass alle Mann nach oben getrieben wurden, um der Züchtigung beizuwohnen.
    Die sechs Männer mussten die Oberkörper freimachen - die Entblößung des Hinterteils lohnte sich bei zwanzig Peitschenhieben nicht -, und das erste Opfer wurde an den hüttenartigen Aufbau über der Achterluke gebunden. Das pfeifende Ding ließ sich ohne große Mühe handhaben. Die Haut platzte schon beim ersten Hieb auf, und wo die kleinen Bleikugeln trafen, entstanden augenblicklich große, tiefrote Schwellungen. Corporal Sampson verstand sein Handwerk, denn auch Seesoldaten bekamen die Katze, gewöhnlich zwölf Hiebe, bisweilen aber auch viel mehr. Ein Hieb
lag dicht neben dem anderen, und nach dem zwanzigsten zierte den Rücken ein Muster aus blutigen Streifen und Schwellungen von der Größe einer Kinderfaust. Am Ende wurde dem Opfer ein Eimer Salzwasser über den Rücken geschüttet, was ihm spitze Schreie entlockte, dann nahm der Nächste seinen Platz ein. Während Corporal Sampson sich die sechs Delinquenten der Reihe nach vorknöpfte - mit unbeteiligter Miene, denn er schien seine Arbeit weder zu hassen noch zu lieben -, legte man denjenigen, die er abgefertigt hatte, Fußfesseln und eine lange Kette an wie auf der Ceres . Niemand schickte sie unter Deck. Leutnant Johnstone nickte nur kurz und ließ seinen Zuchtmeister und die zwölf bleichen Seesoldaten wegtreten.
    Richard war speiübel. Er sprang von dem Langboot, stürzte zur Reling, beugte sich über die Seite und würgte, doch sein Magen war leer, und so starrte er nur in das Wasser drei Meter unter ihm. Das Wasser war so klar, dass er die durchscheinenden Quallen, die in der Dünung trieben, deutlich sah. Wie luftige Geister kamen sie ihm vor, eingehüllt in hauchdünne Seide, mit gekrausten Rändern und langen, glänzenden Tentakeln.
    Ein Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Ein länglicher, schillernder Körper schoss aus dem Wasser, flog im hohen Bogen durch die Luft und fiel klatschend in die See zurück. Ein Delfin? Ein Tümmler? Das Tier war nicht allein. Ein ganzer Trupp tummelte sich fröhlich im Wasser und spielte mit der schmutzigen, altersschwachen Alexander Fangen.
    Tränen liefen Richard über die Wangen, doch er wischte sie nicht weg. Dies alles gehörte dazu. Die Schönheit Gottes und die Hässlichkeit des Menschen. Welchen Platz konnte der Mensch in einer so wunderbaren Welt einnehmen?
     
    Die Alexander lief die Kanarischen Inseln an, doch die neunschwänzige Katze hatte alle ernüchtert. Außerdem hatte John Power von seinem Freund, Mr Bones, erfahren, dass ein gewisser Nicholas Greenwell, ein Sträfling, den er flüchtig kannte, am Tag, bevor die Flotte Portsmouth verlassen hatte, begnadigt und heimlich von Bord geschmuggelt worden war.

    »Zuerst ist mir gar nicht aufgefallen, dass das Arschloch fehlt,

Weitere Kostenlose Bücher