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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Handsäge, und ich werde ihn bitten, damit zu experimentieren.«
    Er stapfte davon. Richard empfand großes Mitleid mit ihm. Ross hatte zwar organisatorisches und praktisches Talent, aber keinerlei Verständnis für die Schwächen anderer Menschen. Entsprechend schwer tat er sich mit ihnen. Seine Soldaten konnte er, wenn sie gegen die Regeln verstießen, nach Belieben verprügeln. Wollte er dagegen einen Sträfling verprügeln, musste er dem Gouverneur zumindest Meldung erstatten. Doch das war nicht seine einzige Sorge. Seine kleine Schafherde war umgekommen, als sie bei einem Unwetter Schutz unter einem Baum gesucht hatte. Dann hatte ein Blitz in sein Zelt eingeschlagen, und viele Papiere und Dokumente waren zusammen mit anderen Dingen verbrannt. Trotzdem, ohne den Major wäre das Chaos in Port Jackson grenzenlos. Der Gouverneur war ein Idealist, der Vizegouverneur ein Realist.
    Richard hatte die Holzhütte inzwischen vergrößert und zwei weitere Männer in seine Gruppe aufgenommen: Neddy Perrott und Job Hollister. Billy Earl, Johnny Cross und Jimmy Price hatten sich Bill Whiting angeschlossen und arbeiteten in den Warenlagern. Nur Joey Long war noch ohne Arbeit. Richard organisierte zusätzlich zum Spaten und der normalen Hacke eine Rodehacke
und ließ Joey Long vor der Hütte einen Gemüsegarten anlegen. Hoffentlich wurde Joey nicht zu einer anderen Arbeit abkommandiert. Immerhin galt er als schlichtes Gemüt, was ihn nicht eben zu einer begehrten Arbeitskraft machte. Solange Joey bei der Hütte blieb, waren die Habseligkeiten der Sträflinge sicher.
     
    Zwei Wochen nach der Landung brach die Ruhr aus. Richards Befürchtungen in Bezug auf das Flusswasser hatten sich bestätigt. Den Marineärzten war allerdings ein Rätsel, wie das Wasser verunreinigt sein konnte. Sie vermuteten, dass die Engländer es einfach nicht vertrugen. Drei Sträflinge starben im Sanitätszelt, und ein zweites Zelt musste errichtet werden. Auch Skorbut grassierte. Eine bleiche Haut und schmerzhaftes Hinken waren die ersten Anzeichen dafür, später begann das Zahnfleisch anzuschwellen und zu bluten. Richard hatte noch Malz und konnte es strecken. Leutnant Furser hielt so große Stücke auf seine Gehilfen in den provisorischen Lagern, dass er sie heimlich mit Malz versorgte.
    »Wenn es hart auf hart kommt, essen wir Sauerkraut«, sagte Richard zu seinen Männern in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Und wenn ich es euch einzeln in den Mund stopfen muss! Sauerkraut muss nicht gut schmecken. Es ist eine Arznei.«
    In Port Jackson gab es keine natürlichen Mittel gegen Skorbut, zumindest nicht in der zur Versorgung der neuen Siedler erforderlichen Menge. Die meisten einheimischen Pflanzen und Beeren waren giftig. Was auf den Feldern angepflanzt worden war, wurde zwar sorgfältig gegossen, doch wollten die Pflanzen einfach nicht gedeihen und gingen ein. Nichts, aber auch gar nichts wollte wachsen.
    Drei Sträflinge - Barrett, Lovell und Hall - wurden auf frischer Tat ertappt, als sie aus einem Lagerhaus Brot und Pökelfleisch stahlen. Ein weiterer Sträfling wurde beim Stehlen von Wein erwischt. Die drei Essensdiebe wurden zum Tod verurteilt, der Weindieb wurde zum Henker ernannt.
    Am westlichen Ufer der Bucht, zwischen den Zelten der Männer und den Zelten der Frauen, stand ein hoher, stattlicher Baum mit einem auffälligen Merkmal: In einer Höhe von zehn Fuß über dem
Boden wuchs waagrecht ein dicker Ast aus dem Stamm heraus. Deshalb wurde der Baum zum Galgen bestimmt. Man hätte nämlich gar kein Holz gehabt, um einen Galgen zu bauen. Am 25. Februar wurden die drei Unglücksraben dorthin gebracht. Die Sträflinge mussten der Hinrichtung beiwohnen - bei Fernbleiben drohten hundert Peitschenhiebe. Gouverneur Phillip war überzeugt, dass das Exempel den gewünschten Effekt erzielen würde: Das Stehlen von Essen musste den Sträflingen ausgetrieben werden! Der Gouverneur hatte natürlich ebenso wie die Offiziere genug zu essen.
    Viele der Anwesenden, ob Freie oder Sträflinge, hatten schon Hinrichtungen miterlebt. In England wurden solche Ereignisse feierlich begangen. Andere dagegen, wie Richard und seine Männer, machten sich nichts aus dem makabren Vergnügen.
    Barrett, der erste Verurteilte, wurde auf einen Schemel gestellt, und der Henker musste ihm die Schlinge um den Hals legen und festziehen. Er tat es mit bleichem Gesicht und weinend. Er weigerte sich jedoch, den Schemel wegzustoßen, bis einige Seesoldaten ihre Musketen

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