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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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luden und aus nächster Nähe auf ihn zielten. Barrett war leichenblass, blieb jedoch ruhig und gefasst. Ein zäher Bursche. Der Ruck des Seils reichte nicht aus, ihm das Genick zu brechen. Barrett zuckte eine halbe Ewigkeit und erstickte schließlich. Nach einer Stunde wurde die Leiche weggebracht und der Schemel für Lovell aufgestellt.
    Leutnant George Johnston, der neue Adjutant des Gouverneurs - Leutnant King war nach Norfolk Island abgefahren -, trat vor und verkündete, Lovell und Hall sei ein vierundzwanzigstündiger Strafaufschub gewährt worden. Die Sträflinge wurden wieder an die Arbeit geschickt. Phillips Lektion hatte keine abschreckende Wirkung. Wer stehlen wollte, tat das auch weiterhin. Hinrichtungen konnten bestenfalls die Zahl der Diebe verringern.
    Beim Weggehen streifte Richards Blick die Reihen der weiblichen Sträflinge. Zufällig entdeckte er einige scharlachrote Straußenfedern, die auf einem ausladenden schwarzen Hut hin und her wippten. Verblüfft blieb er stehen. Lizzie Lock! Es musste Lizzie Lock sein. Sie hatte ihren geliebten Hut auf die Überfahrt mitgenommen. Und der war in Anbetracht der langen Reise noch bemerkenswert
gut in Stand. Wahrscheinlich hatte Lizzie auf ihn besser aufgepasst als auf sich selbst. Jetzt war nicht der richtige Augenblick, sie anzusprechen, es würde sich gewiss eine Gelegenheit ergeben. Zu wissen, dass sie da war, genügte Richard.
    Am nächsten Morgen regnete es in Strömen. Wieder mussten alle antreten, nur um zu erfahren, dass Seine Exzellenz der Gouverneur Lovell und Hall begnadigt hatte. Die beiden Schurken sollten lediglich verbannt werden, wohin, stand noch nicht fest. Leutnant George Johnston ließ jedoch in drohendem Tonfall verlauten, Seine Exzellenz denke ernsthaft darüber nach, alle Delinquenten nach Neuseeland zu verschiffen und sie an der Küste auszusetzen, wo sie von Kannibalen gefressen würden. In der Zwischenzeit sollten die in Eisen gelegten Verbannten zu einem kahlen Felsen nahe der Bucht gebracht werden, der bereits auf den Namen »Hungermagen« getauft worden war, und dort von Viertelrationen trockenen Brotes und etwas Wasser leben. Doch selbst der Galgen und die Aussicht, als Festschmaus für die Kannibalen zu enden, hielten die hungernden Sträflinge nicht vom Stehlen ab.
    Seit zwei Monaten lebten sie jetzt hier, in dieser Sydney Cove genannten Bucht, und es hatte sich gezeigt, dass dies ein lebensfeindlicher Ort war. Die Landschaft wirkte mächtig, unveränderlich und fremd. Man konnte hier wohl überleben, aber mehr nicht. An den Eingeborenen, in den Augen der Engländer primitive Wesen, war zu erkennen, was einen in Neusüdwales erwartete: Schmutz und Elend.
     
    Der Sonntagsgottesdienst wurde an jeweils verschiedenen Orten abgehalten. Am Sonntag, dem 23. März - dem dritten Jahrestag von Richards Verurteilung in Gloucester -, fand die Messe in der Nähe des Lagers der Seesoldaten statt. Reverend Johnson war auf einen Felsen geklettert, damit die ganze Gemeinde ihn sehen und hören konnte. Er ermahnte die Männer im Namen des Herrn, ihre schändlichen Begierden zu zügeln und stattdessen zu heiraten.
    Richard hatte sich von der Predigt eine Eingebung für ein Problem erhofft, das ihn beschäftigte, doch vergeblich. Stattdessen schickte Gott ihm Stephen Donovan. Nach dem Gottesdienst
schloss sich Donovan Richard an. Nebeneinander umrundeten sie die Bucht, überquerten den Fluss und setzten sich auf einen Felsen neben dem ruhig dahinplätschernden Wasser.
    »Eine schreckliche Plackerei«, sagte Donovan schließlich. »Sechs Mann brauchen angeblich eine ganze Woche, um auf einem Weizenfeld einen Baumstumpf auszugraben. Und der Gouverneur hat beschlossen, dass wir den Boden mit Hacken für die Aussaat des Getreides lockern müssen. Einen Pflug zu verwenden wagt er nicht. Nur wer stark ist, wird das überleben. Zum Beispiel Sie.«
    »Darauf können Sie sich verlassen, Mr Donovan. Ich habe die Ceres überlebt und die Alexander , also überlebe ich auch das hier. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Aber ich habe Sie vermisst. Wie geht es der Alexander und Esmeralda?«
    »Keine Ahnung, Richard, ich bin nicht mehr auf der Alexander . Unsere Wege haben sich getrennt, nachdem ich Captain Sinclair dabei erwischte, wie er die Habseligkeiten der Sträflinge im Frachtraum durchstöberte. Er suchte nach etwas, das er für Geld verkaufen konnte.«
    »Der Mistkerl.«
    »Sinclair ist noch viel mehr als das.« Donovan streckte seinen langen,

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