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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Gelände antreten. Die Seesoldaten marschierten in Paradeuniform und zur Musik eines Spielmannszuges ein. Kurz darauf erschien Seine Exzellenz Gouverneur Phillip, und mit ihm kamen sein Beisitzer im Kriegsgericht Captain David Collins, ein blonder Riese, außerdem Vizegouverneur Major Robert Ross, Generalinspekteur Augustus Alt, Marineadmiralarzt John White und der Kaplan, Reverend Richard Johnson.
    Die Seesoldaten dippten die Flagge zum Gruß, der Gouverneur hob den Hut, und die Soldaten zogen mit ihrer Kapelle vorbei. Danach bekamen die Sträflinge Anweisung, sich auf den Boden zu setzen. Vor dem Gouverneur wurde ein Klapptisch aufgestellt, auf den Tisch wurden feierlich zwei rote Lederbehälter gelegt. Die Behälter wurden vor den Augen aller Anwesenden entsiegelt und geöffnet. Dann las Captain Collins laut Phillips Ernennung zum Gouverneur vor und anschließend die Urkunde zur Übertragung richterlicher Vollmachten.
    Richard und seine Männer verstanden nur Wortfetzen. Seine Exzellenz der Gouverneur wurde im Namen Seiner Britannischen Majestät Georg III., König von Großbritannien, Frankreich und Irland, ermächtigt, in Neusüdwales Schlösser, Festungen und Städte zu bauen … Die Sonne brannte vom Himmel herab, und die Pflichten des Gouverneurs wollten kein Ende nehmen. Einige Zuhörer waren schon halb eingeschlafen, die Kapitäne, die wegen der Zeremonie an Land gekommen waren, zogen sich nach und nach zurück, da man keine Sitzplätze im Schatten für sie reserviert hatte. Als Erster ging Captain Sinclair.

    Richard war froh über seinen Matrosenhut aus Stroh. Auch seine Aufmerksamkeit erlahmte, doch als Gouverneur Phillip ein kleines Podest bestieg und eine Ansprache an die Sträflinge begann, merkte er noch einmal auf. Er habe alles versucht!, brüllte der Gouverneur, aber nach zehn Tagen auf dem Festland wisse er jetzt, dass die meisten Sträflinge nichts taugten, dass sie unverbesserlich und faul seien. Von den sechshundert zur Arbeit eingesetzten Sträflingen arbeiteten höchstens zweihundert. Wer aber nicht arbeite, werde künftig auch kein Essen mehr erhalten.
    Der Gouverneur war gut zu verstehen. Eine solche Stimmgewalt hätte man der kleinen, hageren Gestalt gar nicht zugetraut. In Zukunft, fuhr er fort, werde man die Sträflinge zwar gerecht, aber mit größter Strenge behandeln, da offensichtlich alle anderen Maßnahmen versagten. In England sei der Diebstahl eines Huhns kein Kapitalverbrechen, hier dagegen, wo jedes Huhn wertvoller sei als eine Truhe voller Rubine, werde künftig darauf die Todesstrafe stehen. Alle Tiere würden für die Aufzucht gebraucht. Jeder Versuch, einen der Krone gehörenden Gegenstand zu stehlen, werde unweigerlich mit dem Tod durch Erhängen bestraft. Auf jeden Mann, der nachts in die Frauenzelte eindringe, werde geschossen, denn die Frauen seien nicht hergebracht worden, um Unzucht zu treiben. Nur die Heirat zwischen Mann und Frau könne den Geschlechtsverkehr legitimieren. Dazu sei der Kaplan da. Die Sträflinge dürften ihre Arbeit auch nicht mit der eines englischen Bauern gleichsetzen, denn sie müssten mit ihren Löhnen schließlich keine Frauen und Kinder ernähren. Sie seien Eigentum der Behörden Seiner Britannischen Majestät in Neusüdwales. Keiner müsse mehr arbeiten, als seine Kräfte es zuließen, aber jeder müsse zum Wohl der Allgemeinheit beitragen. Als Erstes müssten dauerhafte Gebäude für die Offiziere errichtet werden, dann Unterkünfte für die Soldaten und zuletzt für die Sträflinge.
    »Wie schön ist es doch, gebraucht zu werden!«, seufzte Bill Whiting, als die Ansprache vorüber war, und stand auf. »Warum haben sie uns nicht gleich in England gehängt, wenn sie uns jetzt hier hängen wollen?« Er schnaubte verächtlich. »Wir wurden nicht hergebracht, um Unzucht zu treiben! So ein Quatsch! Was
haben die denn erwartet? Werde ich jetzt erschossen, nur weil ich mich meiner Mary nähere?«
    »Mary?«, fragte Richard.
    »Mary Williams von der Lady Penrhyn . Steinalt und hässlich wie die Nacht, aber sie gehört mir, mir ganz allein! Jetzt, wo ich weiß, dass auf mich geschossen werden soll, wenn ich einem natürlichen Bedürfnis nachgebe, ist natürlich alles anders. In England könnte mich allenfalls ihr Mann erschießen.«
    »Ich freue mich, von Mary Williams zu hören, Bill«, sagte Richard. »Was der Gouverneur über die Unzucht erklärte, hat er sicher von Reverend Johnson. Der hätte Methodist werden sollen. Vielleicht hat er deshalb

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