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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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schräger Vogel, führte lange Selbstgespräche. Doch offenbar handelte es sich nur um eine vorübergehende Verwirrtheit, denn nachdem der Soldat und sie ein Liebespaar geworden waren, hatten die imaginären Dialoge ein Ende. Eine Seereise konnte mitunter von großem Nutzen sein, dachte Richard.
    Für ihn ließ die Reise sich schlecht an. Len Dyer und Tom Jones lauerten ihm unter Deck auf und sagten ihm, was sie von Sträflingen hielten, die nicht nur mit Freien, sondern obendrein auch noch mit Schwuchteln freundschaftlich verkehrten.
    »Schluss mit dem Quatsch!«, sagte Richard müde und wich keinen Zentimeter zurück. »Mit euch beiden werde ich mit links fertig.«
    »Und mit sechsen?«, meinte Dyer und winkte vier weitere Kumpane herbei.
    Plötzlich tauchte schnappend und knurrend MacGregor auf. Dyer trat mit dem Fuß nach ihm und erwischte ihn am Hinterbein, doch im selben Moment legte die Golden Grove sich auf die Seite. Dann ging alles sehr schnell. Joey Long stürzte sich in das Getümmel, Richard versetzte Dyer einen heftigen Fußtritt in den Hintern, Joey kletterte Jones auf den Rücken und biss und kratzte ihn, MacGregor grub die Zähne in Josh Pecks Ferse. Francis, Pickett und Richardson übergaben sich. Richard drückte Dyers Kopf auf die schmutzigen Planken. Damit war der Kampf beendet.
    »Ihr seht, mit mir ist nicht zu spaßen«, sagte Richard keuchend. »Das nächste Mal kommt ihr nicht so glimpflich davon.«
    Er vergewisserte sich, dass Joey und MacGregor unverletzt waren. Dann beschloss er, mit seinen Gefährten und ihrer Habe an Deck umzuziehen. Bei Regen konnten sie dort unter ein Boot kriechen.

    »Ich hoffe, Ihnen passiert nichts«, sagte Richard später zu Stephen Donovan. »Tom Jones und Len Dyer haben für Leute Ihrer Neigung nichts übrig. Passen Sie auf die beiden auf und natürlich auch auf Peck, Pickett und Francis. Francis ist der Anführer, aber er lässt Dyer die Arbeit machen. Deshalb ist er so gefährlich.«
    »Ich danke Ihnen für die Warnung, Richard.« Donovan betrachtete ihn nachdenklich. »Ich sehe bei Ihnen weder blaue Augen noch blaue Flecken.«
    Richard grinste. »Der Seegang ist mir zu Hilfe gekommen. Sie sehen, das Glück bleibt mir treu. In dem Augenblick, in dem sie über mich herfallen wollten, traf eine Bö die Golden Grove und die Mägen der Kerle rebellierten.«
    »Sie haben wirklich Glück, Richard. Komisch, das von einem Mann zu sagen, der für etwas eingesperrt wurde, das er nicht getan hat. Sie haben auch Pech gehabt.«
    »In Bristol, ja. Als Sträfling hatte ich Glück.«
     
    In der elften Nacht seit der Abfahrt merkte Richard, dass sich das Schiff nicht mehr hob und senkte. Die Golden Grove hatte die Segel eingeholt und lag bewegungslos im Wasser. Wir sind da.
    An Deck war es vollkommen ruhig, da die Seeleute nichts zu tun hatten und der Steuermann oben auf dem Achterdeck nur das Ruder festhalten musste. Die Nacht war still, der Himmel wolkenlos. Dort funkelte ein Gewimmel von Sternen. Richard war, als müssten sie klingen. Doch welches Ohr durfte die Musik der Sphären hören? Er hörte nur das Knarren des Schiffes, das Glucksen der Wellen und die körperlosen Rufe der über das Schiff flitzenden Nachtvögel.
    Vor uns ist Land, aber es liegt noch im Dunkeln. Mein Schicksal nimmt eine neue Wendung. Ich betrete eine kleine Insel inmitten einer Meereswüste, auf der vor uns noch niemand gelebt hat. Wir sind etwa sechzig, Männer und Frauen. Eines ist gewiss: Die Insel wird nie meine Heimat sein. Ich komme allein über ein einsames Meer und allein werde ich eines Tages wieder gehen.

TEIL SECHS
    Oktober 1788 bis Mai 1791

    D ie Frauen wurden angewiesen, unten zu bleiben, die Männer brachten ihre Habseligkeiten schon vor Tagesanbruch an Deck und warteten nun darauf, im ersten Morgenlicht die Insel Norfolk auftauchen zu sehen. Der Sonnenaufgang war ein überwältigendes Schauspiel. Das Wolkengebirge am Himmel verfärbte sich von einem purpurn gesprenkelten Pflaumenblau zu einem glühenden Scharlachrot und glänzte schließlich wie pures Gold.
    In der Nacht hatte das Schiff einige Meilen von der Küste entfernt vor Anker gelegen, erst jetzt ging es wieder unter Segel. Captain Sharp war noch nie auf der Insel gewesen und wollte kein Risiko eingehen. Harry Ball von der Supply hatte ihm den Navigationsoffizier der Supply , Leutnant David Blackburn, ausgeliehen, der die Riffe, Felsen und Untiefen vor der Küste kannte wie seine Westentasche.
    Geblendet von der tief am

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