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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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am Wasser wuchs. Sein runder Stamm glich dem einer Palme - Palmen gab es auch, ihre Blätter waren allerdings nicht elegant geschwungen, sondern ragten steif in die Höhe -, doch war er mit spitz zulaufenden Höckern gepanzert. Über dem Stamm wölbte sich ein Blätterdach aus - Farnwedeln! Es handelte sich um einen vierzig Fuß hohen Riesenfarn!
    Richard sah noch mehr Vögel, darunter einen kleinen Eisvogel mit einem cremefarbenen, braunen und leuchtend meergrünen Gefieder. Den imposantesten Vogel bemerkte er zuerst gar nicht, denn der Vogel sah aus wie ein Stück des moosbewachsenen Baumstumpfs, auf dem er saß. Als er sich plötzlich bewegte, machte Richard vor Schreck einen Satz. Es handelte sich um einen riesigen Papagei.
    »Guten Tag«, sagte Richard. »Wie geht’s?«
    Der Vogel legte den Kopf schief und stakste auf ihn zu. Richard war klug genug, nicht die Hand nach ihm auszustrecken. Der Papagei hätte ihm mit seinem gewaltigen schwarzen Schnabel leicht einen Finger abbeißen können. Der Vogel beachtete ihn nicht weiter und verschwand bald zwischen den Farnen und anderen breitblättrigen Pflanzen am Ufer des Baches.
    Die Sonne stand bereits im Westen, als Richard auf demselben
Weg zum Hüttendorf zurückkehrte. Es gab bald Abendessen. Die Insel war einzigartig und mit Neusüdwales überhaupt nicht zu vergleichen - alles war hier anders, Bäume, Berge, Gestein und Erde. Gras gab es überhaupt keines. War die Insel vielleicht Gottes erster Versuch, aus dem Meer Land zu schaffen? Oder sein letzter? Wenn sie sein letzter Versuch war, warum hatte er sie dann nicht mit Menschen bevölkert? Jem Thistlethwaite hätte daraus geschlossen, dass Gott die Anwesenheit des Menschen in seiner Schöpfung nicht mehr für wünschenswert hielt.
    »Gibt es hier Schlangen?«, fragte Richard Nat Lucas, den er ebenso gut leiden konnte wie den alten Dick Widdicombe, der schon siebzig war. Warum um alles in der Welt hatte London eigentlich hochbetagte Männer losgeschickt, um neues Land urbar zu machen?
    »Wenn es welche gibt, dann verstecken sie sich gut«, erwiderte Nat. »Bisher hat noch niemand eine Schlange, eine Eidechse, einen Frosch oder einen Blutegel gesehen. Außer Ratten scheint es hier keine größeren Tiere zu geben. Die Ratten sehen allerdings anders aus als bei uns. Sie sind hellgrau mit weißem Bauch und nicht besonders groß.«
    »Aber sie fressen alles«, warf Ned Westlake ein. »Ratten sind Ratten.«
    Am frühen Morgen des folgenden Tages wanderte Richard am Strand von Turtle Bay entlang nach Osten. Dort beobachtete er, wie zwei Männer eine riesige Schildkröte auf den Rücken drehten. Hilflos lag sie da und wedelte mit den Flossen.
    Die beiden Männer mussten Brüder sein und sie sahen nicht wie Sträflinge aus. Beide waren jung, schlank und braun gebrannt. Sie hatten braune Haare und braune Augen und wirkten vertrauenswürdig. Richard trat auf sie zu.
    »Ah! Du musst Morgan sein«, sagte der eine. »Ich bin Robert Webb und das ist mein Bruder Thomas. Hilf uns, dieses Prachtexemplar anzuleinen. Morgen Mittag gibt es Schildkröte.«
    Richard half ihnen, ein Seil so um den Körper der Schildkröte zu schlingen, dass es nicht herunterrutschen konnte.
    »Wir sind die Gärtner«, sagte Robert. Es war schwer zu sagen,
ob er der ältere war, doch war er jedenfalls der Wortführer. »Vielen Dank übrigens für die Frauen. Thomas legt zwar keinen Wert auf weibliche Gesellschaft, aber ich war schon ganz ausgehungert.«
    »Haben Sie eine für sich gefunden?«, fragte Richard, der nicht verstand, warum Robert sich bei ihm bedankte.
    »Ja, Beth Henderson, eine wunderbare Frau. Das heißt allerdings, dass die Wege von Thomas und mir sich nun trennen.« Roberts Bruder verzog das Gesicht. »Thomas ist bereits zu Mr Altree in Arthur’s Vale gezogen, wo gerade viel gepflanzt wird.«
    Die Männer zerrten die Schildkröte ins Wasser und wateten mit ihr im Schlepptau um die Landspitze der Turtle Bay. Richard half den Brüdern, die Schildkröte in der Nähe der Anlegestelle an Land zu ziehen, dann kehrte er in seine Hütte zurück.
     
    »Leutnant King hat dich gesucht«, sagte Joey.
    Also machte Richard sich gleich wieder auf den Weg, um nach dem Kommandanten Ausschau zu halten. Er fand ihn auf dem Gelände der zweiten Sägegrube, die bereits ausgehoben worden war und nun noch mit Brettern abgestützt werden musste.
    »Morgen gibt es Schildkröte, Sir«, begrüßte ihn Richard.
    »Oh, ausgezeichnet! Sehr gut!« King kam um die

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