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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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war ihm weniger vertraut als die auf die Sydney Bay mit ihren Sandstränden, der Lagune, dem Riff und den vorgelagerten Inseln, doch war er von der Schönheit der zerklüfteten Küste mit ihren vielen Wasserfällen tief beeindruckt.
    Auch heute bin ich noch einmal davongekommen, dachte er und wandte sich zum Gehen. Alle Frauen haben einen Mann gefunden, der ihnen half, und Stephen, der Teufelskerl, hat sowieso allen am besten gefallen. Mit etwas Glück brauche ich überhaupt keine Frau aufzunehmen, auch wenn ich dann keine Sau bekomme.
    Plötzlich miaute es. Richard runzelte die Stirn und blieb stehen. Mit der Sirius waren zwar einige Katzen mitgekommen, doch sie waren als Haustiere und Rattenfänger hoch geschätzt und kamen nicht zur Cascade Bay. Vielleicht hatte sich eine Katze hierher verirrt und war auf einen Baum geklettert, von dem sie nicht mehr herunterkam.
    Er blickte sich lauschend um.
    Das nächste Miauen klang weniger nach einer Katze. Mit klopfendem Herzen verließ Richard die Straße und betrat den Wald. Mit jedem Schritt wurde es finsterer um ihn. Er blieb stehen, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann ging er weiter. Plötzlich war er sich sicher, dass er eine menschliche Stimme gehört hatte. Schade. Er hätte Stephen zu gerne eine Katze
mitgebracht - als Ersatz für seinen geliebten Rodney, der als Schiffskatze auf der Alexander geblieben war, als Stephen wegen Johnny Livingstone auf die Sirius übergewechselt war.
    »Wo bist du?«, rief er. »Melde dich, damit ich dich finden kann.«
    Doch es war nichts zu hören außer dem Knarren der Tannen, dem Heulen des Windes in den Wipfeln und aufflatternden Vögeln.
    »Hab keine Angst, ich will dir nur helfen. Melde dich!«
    Ein leises Miauen kam aus dem Dickicht vor ihm. Richard eilte auf das Geräusch zu.
    »Sag mir, wo du bist«, rief er. »Hilfe!«
    Die Frau kauerte in einem Loch, das Generationen von Insekten in den Stamm einer gewaltigen Tanne genagt hatten. Vielleicht hatte ein entflohener Sträfling das Loch als Unterschlupf genutzt. Auf der Insel kursierten Gerüchte, dass ab und zu ein Sträfling in die Wildnis flüchtete, freilich nur um Wochen später völlig ausgehungert wieder in Sydney Town aufzutauchen.
    Ein kleines Mädchen, dachte Richard zuerst. Dann sah er, dass aus einem Riss in ihrem Kleid die Brust einer Frau heraussah. Er ging in die Hocke, lächelte sie an und streckte ihr eine Hand entgegen. »Komm raus, hab keine Angst, ich tu dir nichts. Wir müssen hier weg, bevor es so dunkel wird, dass wir nicht mehr zur Straße zurückfinden. Komm, gib mir deine Hand.«
    Zitternd vor Angst und Kälte legte die Frau die Finger in seine Hand und ließ sich herausziehen.
    »Wo sind deine Sachen?«, fragte er, bemüht, nicht mehr von ihr zu berühren als ihre zitternden Finger.
    »Der Mann hat sie mitgenommen«, flüsterte sie.
    Richard führte sie zur Straße und betrachtete sie im schwindenden Tageslicht. Sie reichte ihm nur bis zu den Schultern, war sehr dünn und schien blonde Haare zu haben - sie waren so verdreckt, dass ihre Farbe nur schwer zu bestimmen war. Ihre Augen dagegen waren…waren…Richard stockte der Atem. Nein, unmöglich! Im Sonnenlicht würde sich zeigen, dass es nicht stimmte. Niemand auf der Welt hatte Augen wie William Henry!

    »Kannst du noch laufen?«, fragte er. Er hätte ihr gerne sein Hemd gegeben, wollte sie jedoch nicht erschrecken.
    »Ich glaube schon.«
    »Sobald ich einen Ast finde, mache ich uns eine Fackel. Dann können wir uns Zeit lassen.«
    Sie zuckte zusammen.
    »Keine Angst! Dir geschieht nichts. Wir brauchen das Licht für den Heimweg. Es sind noch drei Meilen.« Er nahm sie bei der Hand. »Ich bin Richard Morgan, ein freier Mann.« Es war ein großartiges Gefühl, das sagen zu können! »Ich bin der Aufseher der Säger.«
    Sie sagte nichts, ging jedoch neben ihm her, bis sie das Lager der Matrosen der Sirius erreichten. Die Matrosen wohnten in Zelten, bis die Schreiner ihnen Barracken und Hütten bauen konnten. An dem großen Feuer, das in der Nähe der Straße brannte, saß niemand. Wahrscheinlich waren alle betrunken. Deshalb merkte auch niemand, wie Richard einen Ast am Feuer anzündete, und niemand sah die schmächtige, verwahrloste Gestalt, die seine Hand umklammerte, als hinge ihr Leben davon ab.
    »Wie heißt du?«, fragte Richard im Weitergehen. Der Wind war stärker geworden, und die Tannen ächzten.
    »Catherine Clark. Kitty.«
    »Bist du mit der Lady Juliana

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