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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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außergewöhnlichsten Augen, die dieser je gesehen
hatte. Sie waren honigfarben mit dunkelbraunen Pünktchen und von dichten Wimpern umgeben, die so hell waren, dass nur ihr kristallener Schimmer im Kerzenlicht verriet, dass es sie überhaupt gab. Die Frau war viel dünner, als es Gottes Wille sein konnte, und hatte ein ovales Gesicht und wie viele Engländerinnen eine große Nase und ein vorspringendes Kinn. Ihr Gesicht war nicht schön, mit Ausnahme der Augen.
    Stephen stellte einen Stuhl mitten ins Zimmer und setzte sie darauf.
    »Ich heiße Stephen Donovan«, sagte er, schöpfte Fischsuppe in eine Schale und stellte sie zum Abkühlen auf die Seite.
    »Catherine Clark. Kitty«, erwiderte sie und zeigte lächelnd regelmäßige, aber verfärbte Zähne. Für den erfahrenen Seemann ein untrügliches Zeichen langwieriger Seekrankheit und schlechter Ernährung.
    »Sie haben mir auf den Felsen geholfen«, sagte Catherine.
    »Wie fünfzig anderen auch, ja. Jetzt erzähl mir von dem Mann und deiner Nacht im Wald, Kitty.«
    Sie gehorchte; und während sie erzählte, sah sie sich, mit jeder Minute ruhiger werdend, in der sauberen Wohnküche um. Ein Tisch, mehrere hübsche Stühle, eine Arbeitsbank, ein zweiter Tisch, der offensichtlich als Schreibtisch diente, geschmirgelte Wände.
    »Ein blonder Mann, dem vier Schneidezähne fehlten?«
    »Ja.«
    »Tom Jones der Zweite, kein Zweifel.« Er reichte ihr die Schale. »Trink.«
    Sie kostete vorsichtig von der Suppe, und ein Ausdruck höchster Wonne ging über ihr Gesicht. Gierig schlürfte sie weiter und hielt ihm dann die leere Schüssel hin.
    »Kann ich noch etwas haben, Mr Donovan?«
    »Stephen. Später bekommst du mehr, Kitty. Es soll sich erst mal setzen. Bist du häufig seekrank gewesen?«
    »Fortwährend«, sagte sie nur.
    »Gut, ab morgen putzt du dir jeden Tag mit Asche die Zähne. Sonst fallen sie dir aus. Wenn einem monatelang die Galle hochkommt,
werden die Zähne zerfressen, bis nichts mehr von ihnen übrig ist.«
    »Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen Läuse ins Haus trage.«
    »Papperlapapp, Kindchen. Richard besorgt dir neue Kleider. Die hier verbrennen wir. Du solltest dir aber die Haare abschneiden. Nicht ganz, nur stutzen.«
    Sie zuckte zusammen, nickte aber gehorsam.
    Richard kam zurück, unterm Arm einen kleinen Badezuber aus Zinn mit Kleidern darin. »Olivia Lucas ist ein Schatz«, sagte er, setzte den Zuber ab und nahm die Kleider heraus. »Hat Kitty dir erzählt, was ihr passiert ist?«
    »Ja. Es war Tom Jones der Zweite. Irrtum ausgeschlossen.«
    Die beiden Männer füllten die Kinderwanne mit heißem und kaltem Wasser, und Kitty sah ihnen verwirrt dabei zu. Sie kamen ihr wie Brüder vor.
    »Badest du öfter, Kitty?«, fragte Richard. Eine taktvollere Formulierung war ihm nicht eingefallen. Nach ihrem Äußeren zu urteilen, hatte sie sich womöglich überhaupt noch nie gewaschen.
    »Oh ja. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Mr Morgan. Seit ich die Lady Juliana verlassen habe, konnte ich mich nicht mehr richtig waschen. An Bord haben wir uns regelmäßig gewaschen und bekamen keine Läuse. Wenn Sie mir eine Schere geben, schneide ich mir die Haare ab.«
    Richard sah sie entsetzt an. »Nicht so schnell! Ich habe einen Kamm mit feinen Zähnen. Damit kämmst du dich so lange, bis du die Läuse los bist. Ich heiße übrigens Richard, nicht Mr Morgan. Woher stammst du, Kitty?«
    »Aus Eltham in Kent. Später war ich im Arbeitshaus für Mädchen in Canterbury, und dann als Küchenhilfe auf dem Gut von St. Paul Deptford. In Maidstone kam ich vor Gericht und wurde zu sieben Jahren Deportation verurteilt. Ich hatte in einem Laden Musselin gestohlen.«
    »Wie alt bist du?«, fragte Stephen.
    »Zwanzig, seit letztem Monat.«
    »Zeit zum Baden.« Richard bückte sich und hob den Zuber in die Höhe, als sei er federleicht. »Drüben im Schlafzimmer. Ich gebe
dir eine Kerze. Und schrubb dich ab. Gib mir deine Schuhe und wirf deine schmutzigen Kleider aus dem Fenster. Stephen, bring ihr die frischen Sachen, Seife und eine Bürste - los, keine Müdigkeit vorschützen. Wasch dir die Haare, mein Kind, bürste dir die Kopfhaut und dann kämm dich, als hinge dein Leben davon ab.« Er kicherte. »Das Schicksal deiner Haare tut es jedenfalls.«
    »Jetzt zu Tom Jones dem Zweiten«, sagte Richard, als sie Kitty sich selbst überlassen hatten. »Was machen wir mit ihm?«
    »Überlass ihn mir.« Stephen zündete eine Kerze am Feuer an, dann schöpfte er Fischsuppe in zwei

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