Insel der Verlorenen Roman
Leute in Sydney Town erfahren, dass die Matrosen von der Sirius sich schon die besten Frauen geschnappt haben«, sagte Stephen. »Die Seesoldaten werden außer sich sein, weil Ross ihnen verboten hat, herzukommen.«
»Warum hat er das getan?«, fragte Wentworth neugierig.
»Aus anderen Gründen, als Sie vielleicht denken«, erwiderte Richard. »Was ist besser? Den Seesoldaten, die dienstfrei haben, die erste Wahl zu überlassen, oder den Matrosen von der Sirius ? Da es sowieso Streit gibt, ist es dem Major lieber, wenn sich die Seesoldaten mit den Matrosen streiten und nicht untereinander.«
Nach dem Abzug der Matrosen von der Sirius stiegen die drei Männer zum Landungsfelsen hinunter, um weiteren verängstigten Neuankömmlingen unter gutem Zureden an Land zu helfen. Wie Stephen Donovan und Richard Morgan war auch D’arcy Wentworth nicht darauf aus, eine Frau zu finden; allerdings aus anderen Gründen. Er hatte bereits eine Freundin auf der Surprize , ein schönes, rothaariges Mädchen namens Catherine Crowley. Man hatte ihm versprochen, sie nicht zusammen mit den anderen Frauen in Cascade an Land zu bringen. Catherine sollte mit ihrem kleinen Sohn William Charles an Bord bleiben, bis die See vor der Sydney Bay sich beruhigte. Wentworth hatte sich auf der Neptune auf den ersten Blick in sie verliebt und sie, allen Protesten der Besatzung zum Trotz, aus dem schmutzstarrenden Gang, in dem die weiblichen Sträflinge untergebracht waren, in eine frei gewordene Kabine umquartiert. Kurz vor der Ankunft der Neptune in Port
Jackson hatte Catherine ein Kind zur Welt gebracht. Die Freude der Eltern war jedoch nicht ungetrübt. Der kleine Charles William, der die kupferroten Locken der Mutter und, wie es schien, die Statur des Vaters geerbt hatte, schielte extrem und würde nie gut sehen.
Als die Surprize alle männlichen Sträflinge und fast siebzig Frauen an Land gebracht hatte, signalisierte sie, dass sie auf Grund des Wasserstands nun keine mehr losschicken würde. Die Frauen sahen bemitleidenswert aus. Sie waren laut Mr Murray zwar auf der Lady Juliana gut behandelt und verpflegt worden, doch die Reise von Port Jackson nach Norfolk Island hatten sie auf dem völlig verdreckten, nach Verwesung und Exkrementen stinkenden Zwischendeck eines feuchten, undichten Schiffes verbringen müssen.
Die siebenundvierzig Männer, die an Land gebracht wurden, befanden sich jedoch in einem noch schlimmeren Zustand. Waren das die gesündesten der aus England in Port Jackson eingetroffenen Sträflinge? Wentworth musste in das Boot springen - die Seeleute von der Surprize zeigten sich wenig hilfsbereit -, den armen Teufeln hochhelfen und sie Richard und Stephen hinhalten. Selbst hätten sie nicht springen können. Sie bestanden nur noch aus Haut und Knochen. Ihre Augen waren tief in die Höhlen gesunken, ihre Nägel verfault, Zähne und Haare ausgefallen. Sie hatten Skorbut und Ruhr und waren völlig verlaust. Richard marschierte eilends nach Sydney Town, forderte Hilfe an und kehrte wieder zurück, gefolgt von Sergeant Tom Smyth und einigen Männern.
Bei Einbruch der Dunkelheit befanden sich alle Sträflinge, die an diesem Tag an Land gebracht worden waren, in Sydney Town. Die Frauen, die keinen Matrosen gefunden hatten, wurden von Soldaten oder Sträflingen aufgenommen, die ausgezehrten, schwer kranken Männer in das kleine Lazarett und einen schnell in ein Notlazarett umgewandelten Schuppen gebracht. Olivia Lucas, Eliza Anderson, John Bryants Witwe und die Haushälterin des Vizegouverneurs Mrs Morgan kümmerten sich um die Kranken, hatten aber wenig Hoffnung, dass sie je wieder gesund werden würden.
Da die Surprize am nächsten Tag immer noch vor Cascade lag, kehrten Stephen, D’arcy Wentworth und Richard dorthin zurück, um wieder zu helfen. Nach einiger Zeit frischte der Wind auf, und die Surprize signalisierte, dass keine weiteren Boote an Land geschickt werden sollten. Stephen und D’arcy nahmen die letzte Ladung Frauen in Empfang, redeten den verängstigten Geschöpfen gut zu und nahmen ihnen so viel Gepäck ab, wie sie tragen konnten. Das Leben auf Norfolk Island werde ihnen gefallen, sagten sie, dort sei alles viel besser als in Port Jackson.
Da Richard sich vergewissern sollte, dass die Besatzung der Surprize nicht doch noch ein weiteres Boot ans Ufer schickte, verließ er Cascade einige Minuten nach Stephen und D’arcy. Vom Gipfel der Klippen aus ließ er den Blick noch einmal über die Küste wandern. Die Aussicht
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