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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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hatte wenigstens den Deckel wieder zugenagelt. Die Kiste war immer noch sehr schwer, deshalb konnte nur wenig gestohlen worden sein. Ihr Inhalt bestand vermutlich aus Büchern, aus sehr vielen Büchern, denn sie war größer als eine Teekiste und aus stabilerem Holz. Richard bückte sich, um sie anzuheben.
    »Das schaffst du nicht allein, Richard!«, rief Crowder. »Ich lasse einen Mann kommen, der dir hilft.«
    »Ich bin selbst ein Mann, Tommy, aber danke für das Angebot.« Richard hievte die Kiste auf den Schlitten.
    Auf den Seiten der Kiste stand in Großbuchstaben RICHARD MORGAN - STRÄFLING DER ALEXANDER. Ein Absender war nicht angegeben.
    Am Nachmittag zog Richard den Schlitten nach Hause. Es war zwar noch hell, aber als Freier konnte er mit der Arbeit hin und wieder früher aufhören.

    Kitty kam ihm auf der Treppe entgegen. »Jedes Mal, wenn ich dich sehe, bist du noch schöner«, sagte er zu ihr.
    Sie küssten sich innig, und Richard freute sich schon auf die Nacht. Er wusste, dass Kitty ihn körperlich attraktiv fand. Er hatte nicht mehr mit ihr schlafen wollen, aus Angst, dem Baby zu schaden, aber sie hatte ihn nur verwundert angesehen. »Wie kann etwas so Schönes unserem Baby schaden?«
    »Was ist da drin?«, fragte sie jetzt, als er die Kiste vom Schlitten hob.
    »Das weiß ich selbst noch nicht.«
    »Du musst sie gleich aufmachen! Ich sterbe vor Neugier!«
    »Die Kiste kam mit der Gorgon aus England. In Port Jackson blieb sie dann eine Weile liegen. Vielleicht wollte jemand den Namen des Absenders wissen.« Richard öffnete den Deckel mit einem Zimmermannshammer.
    Die Kiste enthielt Bücher, wie er vermutet hatte. Auf den Büchern lag lose eine Hutschachtel. Das Füllmaterial, in das sie eingebettet gewesen war - Kleider vermutlich -, war verschwunden. Jem Thistlethwaite! Richard löste die Verschnürung und nahm den schönsten aller Hüte heraus, einen mit scharlachroter Seide verkleideten Strohhut mit einer riesigen, geschwungenen Krempe und einer grandiosen, schwarz-weiß gestreiften Satinschleife, in der ein üppiger Straußenfederbusch in Schwarz, Weiß und Scharlachrot steckte. An dem Hut hingen ebenfalls gestreifte Satinbänder, die man unter dem Kinn zubinden konnte.
    »Oooh!«, entfuhr es Kitty. Sie machte eine Grimasse.
    »Leider ist er nicht für dich«, sagte Richard, bevor sie auf falsche Gedanken kam. »Er ist für Lizzie Lock.«
    »Dann bin ich aber froh! Er ist zwar prächtig, aber ich bin zu klein für ihn, und ich habe auch nicht das richtige Gesicht und die passenden Kleider dafür. Außerdem glaube ich, dass Mrs King und Mrs Paterson ihn für schrecklich vulgär halten würden.«
    »Ich liebe dich, Kitty. Ich liebe dich mehr als alles.«
    Kitty schwieg, wie immer, wenn er das sagte.
    Richard unterdrückte einen Seufzer, dann entdeckte er in der Hutschachtel noch einige kleinere, in Papiertütchen gewickelte
Dinge. Die Tütchen waren alle geöffnet und wieder verschlossen worden. Merkwürdig! Wer hatte die Kiste aufgemacht? Was hatte er gesucht? Der Hut hätte dem hässlichsten Mann von Port Jackson die Gunst der schönsten Hure für ein ganzes Jahr sichern können, und trotzdem war er nicht gestohlen worden. Auch nicht die diversen Kleinigkeiten wie ein Messingsiegel mit einem kurzen Holzgriff. Er betrachtete das Siegel und versuchte es spiegelbildlich zu sehen. Es bestand aus den Initialen RM, verbunden durch Fesseln, wie er sie getragen hatte. Die anderen sechs Tütchen enthielten karminrotes Siegelwachs.
    Ganz unten in der Hutschachtel lag ein dicker Brief. Das Siegel mit den Initialen JT und einer Schreibfeder war unbeschädigt, Fingerabdrücke zeigten aber, dass der Brief gründlich befühlt und abgetastet worden war. Auf einmal begriff Richard, wer die Kiste geöffnet hatte und warum. Ein hoher Beamter hatte sie in Port Jackson nach Goldmünzen durchsucht. Hätte er etwas gefunden, wäre es in die Kassen der Regierung gewandert, in denen chronischer Geldmangel herrschte. Richard wusste, dass Geld in der Kiste war, aber es war offenbar nicht gefunden worden. Hohe Beamte hatten nicht viel Phantasie.
    Die Kiste enthielt ein Exemplar der zweiten Auflage der Encyclopaedia Britannica , außerdem jede Menge Romane, eine vollständige Sammlung von Felix Farleys Bristol Journal und verschiedene Londoner Zeitungen, Werke von John Donne, Robert Herrick, Alexander Pope, Richard Dryden und Oliver Goldsmith, die Fortsetzung von Edward Gibbons Meisterwerk über das alte Rom,

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