Insel der Verlorenen Roman
mottenzerfressenen Pelzmütze zum Hanswurst. In Europa ist man inzwischen so besorgt, dass Katharina, die Kaiserin aller Reußen, mit Dänemark, Schweden, Preußen, Österreich und
Sizilien ein Bündnis zum Zweck bewaffneter Neutralität ausgehandelt hat. Das Einzige, was diese Länder verbindet, ist die Angst vor den Engländern und den Franzosen.
Ich habe einen brillanten - und sehr gut aufgenommenen! - Artikel über die 5500 amerikanischen Söhne der Freiheit geschrieben, die bei der Eroberung von Charlestown durch Sir Henry Clinton in Gefangenschaft gerieten. Sie wurden für unsere Marine zwangsrekrutiert! Nette Idee, nicht wahr? Mein Artikel handelte vor allem davon, dass amerikanische Offiziere es nicht wagen, ihre Soldaten und Matrosen auspeitschen zu lassen! Stell dir vor, wie den Söhnen der Freiheit zu Mute sein muss, wenn die gute alte neunschwänzige Katze ihnen die Haut von Rücken und Hintern reißt!
Ich habe 100 Pfund zehn zu eins auf den Sieg der Rebellen gewettet. Das bedeutet, dass ich zum guten Schluss um 1000 Pfund reicher sein werde. Heiliger Strohsack, Richard, wie lange dieser elende Krieg dauert! Der König und das Parlament ruinieren England.
Doch Richard beschäftigten Sorgen, die sehr viel näher lagen als ein fünftausend Kilometer entfernter Krieg. Peg zog sich immer mehr in sich selbst zurück.
Und dafür gab es Gründe. Sie konnte keine Kinder mehr haben. William Henry war ihre einzige Hoffnung, und Richard war nicht mehr den ganzen Tag im Haus, um sie in ihren wechselhaften Stimmungen zu trösten.
Welken unsere Jugendträume, nur weil wir älter werden?, dachte Richard. Macht das Leben selbst sie zunichte? Ist es das, was in Peg vorgeht? Was mit mir geschieht? Ich hatte immer so wunderbare Träume - das Haus in Clifton inmitten eines prächtigen Blumengartens, ein schönes Pony für den Ritt nach Bristol und einen Einspänner, in dem ich mit meiner Familie nach Durdham Down zum Picknick fahre, angenehme Gespräche mit den Nachbarn, ein Dutzend Kinder und die ganze Aufregung, die dazugehört, wenn man sie heranwachsen sieht. Doch hier bin ich nun, gerade zweiunddreißig Jahre alt geworden, und nichts davon ist
Wirklichkeit. Ich habe ein kleines Vermögen auf der Bristol Bank und ein einziges Kind, und ich bin dazu verdammt, für immer im Haus meines Vaters zu leben. Ich werde nie mein eigener Herr sein, denn meine Frau, die ich zu sehr liebe, um sie zu kränken, hat vor jeder Veränderung Angst. Sie hat Angst, ihr einziges Kind zu verlieren. Wie kann ich ihr verständlich machen, dass diese ständige Angst bedeutet, Gott zu versuchen? Vor langer Zeit habe ich gelernt, dass die Sorgen nicht ausbleiben, wenn man zu viel Aufhebens um sich selbst macht. Am wenigsten Sorgen hat der, der still hält und keine Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
Richards Liebe zu William Henry hatte sich als Folge von Pegs besessener Fürsorge für das Kind unmerklich gewandelt. Was einst Angst vor Krankheit oder einem Unfall seines Sohnes gewesen war, war jetzt zu Mitleid geworden. Denn wenn das Kind rannte, statt zu gehen, war Peg sofort hinter ihm her und fragte, warum er denn renne. Wenn Dick den Jungen auf seinen täglichen Spaziergang mitnahm, bestand Peg darauf, sie zu begleiten. Der Junge musste immer an der Hand gehen. Wagte er es, sich an die vorderste Uferkante zu stellen, um Schiffe zu zählen - er konnte schon bis hundert zählen -, hielt Peg ihn sofort fest und tadelte Dick scharf für seine Achtlosigkeit. Das Schlimmste dabei war, dass William Henry keine trotzige Person war und seine Unabhängigkeit nicht ständig unter Beweis stellen musste wie die meisten anderen Sechsjährigen.
»Ich habe mit Senhor Habitas gesprochen«, sagte Richard eines langen Sommerabends, nachdem das Cooper’s Arms geschlossen hatte. »Er ist überzeugt, dass er noch eine ganze Zeit lang Aufträge bekommen wird. In der Werkstatt geht es inzwischen aber so ruhig zu, dass wir eine ungelernte Kraft einarbeiten könnten.« Er holte tief Luft und sah Peg über den Tisch hinweg an. »Von jetzt an nehme ich William Henry zur Arbeit mit.«
Er hatte weiterreden und erklären wollen, dass er nur an eine kürzere Zeit dachte, dass der Junge aber dringend Anregungen von außen bräuchte und dass er dieselbe Geduld habe wie sein Vater, dasselbe handwerkliche Geschick und dieselbe Begeisterung für das Zusammenfügen eines Puzzles. Doch Richard schwieg.
Peg begann zu schreien. »Nein, nein, nein!« So schrecklich waren ihre
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